Tägliche Archive: 17. Oktober 2006

Umlaute – eine typisch deutsche Marotte?

Umlaute sind Lautverschiebungen. Wir spüren der Regelhaftigkeit dieses Vorgangs nach. Umgelautet werden im Deutschen Substantive, Adjektive und Verben in ihren gebeugten, das heißt dem Satz angepassten Formen.

Einladung zu einem Exkurs: Werfen wir einen Blick auf unseren zukünftigen EU-Partner; auch das Türkische ist durch eine Vielzahl von Umlauten klanglich gekennzeichnet. Ein türkisches Wort enthält entweder dunkle oder helle Vokale. Dieses unverzichtbare Prinzip heißt Vokalharmonie. So kommt zustande, dass jedes konjugierte Verb sogleich mit der vokalisch passenden Personalendung und gegebenenfalls dem integrierten Fragepartikel zu versehen ist. Folgende Vokalgruppen bilden eine Harmonie: e, i, ö, ü und a, I – ein i, dem der I-Punkt zwingend fehlt, es wird gesprochen wie das e in Mangel, so verliert es seine Helligkeit – o, u.

Umlaute, das sind die Lautübertragungen von -a zu -ä, von -o zu -ö, von -u zu -ü und von -au zu -äu. Einer Regelhaftigkeit dieses Vorgangs nachzuspüren, wollen wir uns anschicken. Umgelautet werden im Deutschen Substantive (Namenwörter), Adjektive (Eigenschaftswörter), Verben (Tuwörter) in ihren gebeugten, das heißt dem Satz angepassten Formen. Diese drei Wortgruppen sind inhaltlicher Träger eines Satzes. Lautverschiebungen finden sich also bei inhaltlich tragenden Wortgruppen. Daraus ergeben sich erhebliche grammatische und orthographische Wirkungen. Daneben gibt es einige Wörter, die einen Umlaut enthalten, deren Herleitung sich nicht unmittelbar erschließt, zum Beispiel für oder über. Diese sind nicht Ergebnis einer Lautverschiebung, ihr Umlaut ist originär.

Bei Substantiven geht die Lautverschiebungen in aller Alltäglichkeit vonstatten, nämlich bei Diminuitiva (Verkleinerungen) Baum – Bäumchen, bei Pluralbildungen Baum – Bäume, bei Ableitungen Baum – sich aufbäumen. Das Tückische daran ist, dass es offenbar keine Regeln gibt, denen die Lautverschiebung hier gehorcht. Die Beispiele machen es deutlich.

Beispiele für Umlautung bei Personen
Vater – Väter – Väterchen/lein – väterlich

Mutter – Mütter – Mütterchen/lein – mütterlich – bemuttern – Muttchen – Muttern

Bruder – Brüder – Brüderchen/lein – brüderlich – verbrüdern

Onkel – Onkel – Onkelchen – onkelhaft

Tante -Tanten – Tantchen – tantenhaft – tantig

Bauer – Bauern – Bäuerlein – bauen – bäuerlich

Beispiele für Umlautung bei Tieren
Wolf – Wölfe – Wölfchen – Wölfin – wölfisch

Fuchs – Füchse – Füchslein – Füchsin – ausgefuchst – fuchsig

Maus – Mäuse – Mäuschen – Mäuslein – mausen

Hund – Hunde – Hündchen – Hündin – hündisch

Kinder bilden folgerichtig beim Erstspracherwerb Hund – Hünde. Es bedarf einer gewissen Überredungskunst, um Sprachrichtigkeit durchzusetzen. Technische Begriffe hingegen haben oft zur Abgrenzung eigene Pluralformen, die also ohne Umlaut gebildet werden, Bank – Banken, Bund – Bunde, Mutter – Muttern. Daran erkennt man, wie beliebig Umlaute funktionieren.
Obgleich es der Begriff Umlaut nahezulegen scheint: Es gibt auch Wörter, deren lautliche Herkunft im Dunkel bleibt: Säbel, Mönch (wohl „monasterium“), Glück, Tücke, Müller, Mühle, wühlen seien genannt.
Adjektive (Wiewörter) können umgelautet werden, wenn sie gesteigert werden:
hart – härter – am härtesten,
groß – größer – am größten
Aber es gibt kein verlässliches Muster:
zart – zarter – am zartesten
lose – loser – am losesten
hohl – hohler – am hohlsten
rund – runder -am rundesten
hoch – höher – am höchsten
gut -besser – am besten
Auch hier ist die Logik kindlichen Sprachlernens anzuführen. Sie bilden folgerichtig: hoch – höcher, gut – güter – am gütesten.
Die Adjektive beeinflussen wiederum Ableitungen.
hart: die Härte, verhärten, Verhärtung
zart: Zartheit, zärtlich, verzärteln
groß: Größe, vergrößern
lose: Lösung, lösen
hohl: Höhle, aushöhlen, Höhlung, Hohlheit
rund: Rundung – Runde – umrunden – rundlich (Hier gibt es keine Umlautungen.)
hoch: Höhe, erhöhen
gut: Güte, vergüten
Verben (Tuwörter) werden in ihren unregelmäßigen Erscheinungen umgelautet. Das kann im Präsens (Gegenwart) der Fall sein
laufen -> läuft
oder im Konjunktiv II
lief -> liefe
lesen – las -> läse
Der Konjunktiv II ist die Form, die abhängig von der unregelmäßigen Präteritum- (Imperfekt/Vergangenheit) Form umgelautet wird. Entscheidend ist also der Vokal des Präteritums. Also heißt es folgerichtig auch brauchte im Konjunktiv II.
Beispiele, die den Prozess a -> ä, o -> ö, u -> ü, au -> äu verdeutlichen
lügen – log -> löge

trügen – trog -> tröge

biegen – bog -> böge

sehe – sieht – sah -> sähe

lesen – liest – las -> läse

sprechen – sprach -> spräche

geben – gab -> gäbe

schelten – schilt – schalt -> schälte

kommen – kam -> käme

fliegen – flog -> flöge

saufen – säuft – soff -> söffe

schwimmen – schwamm/schwomm -> schwämme/schwömme

tun – tat -> täte

haben – hatte -> hätte

schaffen – schuf -> schüfe

Nicht der Laut des Infinitivs (Grundform) erzwingt die Lautverschiebung, sondern der des Präteritums.
rufen – ruft – rief -> riefe
mögen – mag – mochte -> möchte
Das letzte Beispiel zeigt: Der Infinitiv / Grundform heißt mögen. Möchten ist kein Verb! In dem Satz ich möchte ein Brot ist also bereits ein Konjunktiv als Ausdruck von Höflichkeit enthalten – wie etwa auch hier: Ich hätte gern ein Brot.
brauchen zählt nicht zu den unregelmäßigen Verben. Deshalb bedarf es keiner Lautverschiebung:
brauchen – brauchte – gebraucht, also auch brauchte im Konjunktiv II.

Wer bräuchte sagt, tut nicht nur zuviel des Guten, sondern liegt falsch. Wer sagte schon räuchte, säuste, schäute, verträute? Die Lautverschiebung im Konjunktiv II gehorcht also einem exakten Vokalmuster, vorgegeben durch das Präteritum.
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Zur Verwendung des Doppelkonsonanten „ss“ oder des „ß“ nach der Reform der Rechtschreibung

Der Grundgedanke der Rechtschreibreform in Bezug auf s/ss/ß ist, dass das Doppel-s genauso zu behandeln sei, wie jede andere Konsonanten-Verdoppelung nach einem kurzen (oder offenen) Vokal.

Als Beispiele seien angeführt: Sinn – sinnen, Sepp – Seppel, Lamm – Lämmer, schlaff – erschlaffen. Auf diesem Wege kam auch das Stoppschild zu seinem Doppel-p. Der Tipp durfte auch nicht leer ausgehen. Nur warum wurde das Set vergessen? Gibt es nicht längst das Verb setten?

Ob einem kurzen/offenen Vokal allerdings ein Doppelkonsonant folgt, erkennt man erst an der Verlängerung eines Wortes. So fallen etwa herum, an, zum, das oder weg nicht unter diese Regel, weil sie keine entsprechende Verlängerung aufweisen können.

Entscheidend ist demzufolge gleichermaßen, dass dem kurzen Vokal nur ein Konsonant folgt. So werden etwa Vokale, denen zwei Konsonanten aufeinanderfolgen, in der Regel automatisch kurz gesprochen: bald, rund, schuld, folgt oder Abt. Jedoch kann das R auch eine Dehnungsfunktion ausüben, so nach a und e. Z.B.: karg, darben, Pferd; jedoch nicht nach i, o, u: z.B. Wirt, Furt, Mord.

Umgekehrt werden Vokale lang gesprochen, sobald dem nachfolgenden Konsonanten wiederum ein Vokal folgt: schade, schlafen, Bote, Ufer. Folgt man nun diesem Grundgedanken, wird klar: es muss Fass – Fässer heißen, jedoch fast; also auch Kuss – Küsse.

Wird allerdings ein Vokal vor einem scharfen s (es heißt stimmloses s, weil die Stimme unbeteiligt bleibt) lang/geschlossen gesprochen, und diese Aussprache auch in der Verlängerung erhalten bleibt – wie etwa bei Gruß – Grüße, so schreibt man ß bereits im Wortausgang (das ist ja das schwierigste!). Den Unterschied hört man also bei Guss – Güsse, Gruß – Grüße, Mus – Muse, müßig – Muße, Muse – Musen, müssen – muss und allemal Museum.

Diphthonge, also Doppelvokale, sind per se nur lang zu sprechen, sie müssen also, sobald auch in der Verlängerung der scharfgesprochene Charakter des s-Lauts deutlich wird, ein ß nach sich ziehen: Geiß – Geißen, Greis – Greise, er verließ – verließe er, Verlies – Verliese, Schmaus – schmausen, jedoch aus – außen, außer. Eigentlich müsste es auß heißen oder vielleicht auser Haus? Aber wer will schon Sprache reglementieren?
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das oder dass? Eine grammatische Betrachtung zum besseren und differenzierten Verständnis der Rechtschreibung

Die Rechtschreibreform hat nicht in die grammatische Besonderheit der Unterscheidung zwischen das und dass eingegriffen. Die reformierte Schreibung von dass hat lediglich lautliche Gründe, denn in allen Fällen, wo auf einen kurzen Vokal[1] folgend das Silbenende mit einem scharfen s, welches ß geschrieben wurde, ausgelautet war, ist jetzt ss zu schreiben.

Diese Neuregelung ist aus der Einsicht erwachsen, ein Wort, das auch in seiner Verlängerung ein Doppel-s enthält, werde auf diese Weise verständlicher und folglich schreibfreundlicher. So erschien es nur logisch, konsequent und ästhetisch, bei der Schreibung von dass analog zu verfahren.

Denn der Vorteil der Reform liegt hier eindeutig fest: Folgt ein ß, wird der vorausgehende Vokal lang gesprochen. Der Umkehrschluss war also: Geht ein kurzer Vokal voraus – wie im vorliegenden Fall, so folgt ein Doppel-s. Diese lautliche Regel war also maßgeblich für die veränderte Orthographie.

Auch versierte Schreiber zeigen Unsicherheiten im Umgang mit der Differenzierung von das und dass. Es liegt daran, dass diese Wörter neben einer orthographischen eine grammatische Bedeutung haben. Genau genommen handelt es sich um fünf verschiedene grammatische Bedeutungen, die es zu unterscheiden gilt, um es richtig zu verwenden und zu schreiben. Es stellt sich die Frage: Liegt ein bestimmter Artikel[2], ein Demonstrativpronomen[3], ein Relativpronomen[4], eine Junktion[5] oder die Einleitung eines Wunschsatzes vor?

1. das als bestimmter Artikel
Im Deutschen geht dem Substantiv in der Regel ein Artikelwort voraus. Als Artikel tritt das sowohl im Neutrum[6] Nominativ[7] Singular[8] (wer oder was?) als auch im Akkusativ[9] Singular (wen oder was?) auf.
Beispiele
das Mädchen, das Kind, das Boot

Beispiele im vollständigen Satz
Das Mädchen liebt den Jüngling. (Nominativ)

Der Jüngling liebt das Mädchen. (Akkusativ)

2. das als Demonstrativpronomen
Demonstrativpronomen weisen auf etwas hin, sei es ein Gegenstand, eine Person, also ein Substantiv oder ein Umstand, dessen Kontext bereits bekannt ist. Als Demonstrativpronomen antwortet das auf die Frage Welches / Was? Es kann das, dies, dieses oder jenes lauten.
Beispiele
Welches Kleid meinst du?

Ich meine das (da).

Meintest du den Zusammenhang zwischen … und …?

(Genau) das meinte ich.

3. das als Relativpronomen
Relativpronomen beziehen sich auf einen Begriff oder einen Umstand, der eingehender beschrieben werden soll. Dies geschieht durch einen Nebensatz[12], der sich verständlicherweise direkt an den betreffenden Gegenstand anschließt. Relativpronomen im Neutrum – nur davon ist hier die Rede – lauten das oder welches. Beide sind im Nominativ und Akkusativ im Deutschen identisch. (Das gleichwertige Relativpronomen welches wendet man seltener an, denn es klingt bisweilen schwerfällig.)
Beispiele
Das Mädchen, das dem Wolf in den Wald hinein folgte, war das Rotkäppchen. (Nominativ)

Das Mädchen, das vom Wolf auf Abwege geführt wurde, war das Rotkäppchen. (Akkusativ)

4. dass als Junktion
Um diese grammatischen Vorschriften übersichtlicher zu machen und um den Gegenstand, auf den sich dass in dieser Funktion bezieht, als einen komplexen Zusammenhang zu kennzeichnen, wurde es orthographisch besonders gekennzeichnet. dass leitet einen Nebensatzein. Dies kann verschiedene Bereiche betreffen. Man erkennt es daran, dass mit ihm Verben[13] der sinnlichen Wahrnehmung, des Wollens und Denkens einhergehen.
Beispiele
Ich sehe, dass du kommst.

Ich möchte, dass du mich besuchst.

Ich fürchte, dass du mich verlässt.

Dass du bleibst, freut mich.

Man erkennt es auch daran, dass Verben des Redens, Denkens und der sinnlichen Wahrnehmung die indirekte[14] Aussagen einleiten.
Beispiele
Ich sagte, dass ich gehen müsse.

Er dachte, dass sie käme.

5. dass als Einleitung eines Wunschsatzes
Eine seltene Verwendung findet dass in Sätzen, die einem Wunsch Ausdruck verleihen, im Sinne von Wenn doch…! Beispiel: Dass mir doch die Kräfte verliehen wären! Diese Sätze enthalten einen gedachten Hauptsatz, der nicht explizit ist: Ich wünschte, hoffte usw., … Und jetzt noch die Faustregel, die man im vierten Grundschuljahr erlernt: Kann das weder durch dieses, jenes oder welches ersetzt werden, schreibt man dass.
[1] Vokal = Selbstlaut (a,e,i,o,u) Diphthong= Zwielaut (au, äu, eu, ei) Gegensatz: Konsonant = Mitlaut (z. B. b, d, f)

[2] bestimmter Artikel = Geschlechtswort (der, die das), unbestimmter A. = unbestimmtes G. (ein, eine, ein)

[3] Demonstrativpronomen = Hinweisendes Fürwort (z. B. dieser, jener, derjenige)

[4] Relativpronomen= Verhältniswort (z. B der…, der …)

[5] Junktion bedeutet Verbindung, genauer gesagt: eine grammatische Verbindung zweier Teile eines Satzgefüges. Um Bindewörter, die Haupt- Nebensätze und solche, die Hauptsätze in einen Zusammenhang bringen, fügen, also zu einem Satzgefüge machen, unterscheidet man heute feinsinniger. Das Bindewort zwischen Haupt- und Nebensatz lautet „Subjunktion“, um die ungeordnete Beziehung des Nebensatzes zum Hauptsatz auszudrücken, Entsprechend lautet der Fachbegriff für einander gleichgeordnete Hauptsätze „Konjunktion“.

[6] Neutrum, abk. n. sächlichen Geschlechts. (Maskulinum, m. = männlich, Femininum, f. = weiblich)

[7] Nominativ = 1. Fall, Werfall, Wer?

[8] Singular = Einzahl. Plural = Mehrzahl

[9] Akkusativ = 4. Fall, Wenfall, Wen?

[12] Nebensatz = Teil eines Satzgefüges, das ohne Bindung an den Hauptsatz unvollständig ist. (z.B. ich gehe, weil ich müde bin.)

[13] Verb = Tuwort (z.B. gehen), verbum (lat.) = Wort

[14] Indirekte (Rede) = nicht wörtliche sondern durch einen Nebensatz kenntlich gemachte referierte Rede. ( z. B.: Er sagte: „ich gehe.“–> Er sagte, dass er gehe.)
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