Tägliche Archive: 18. Oktober 2006

Im Dickicht zusammengesetzter Verben

Gunhild Simon

Gunhild Simon

Viele Verben kommen nicht ohne Vorsilbe aus. Sei es, dass sie dadurch präziser, konkreter, spezieller oder gar metaphorisch werden. Unterscheiden kann man zwischen den echten Präfixen, also solchen, die allein kein eigentliches Wort ergeben (be-, er-, ge-, ver-, zer-, ent-), und jenen, die für sich genommen bereits eine selbständige Präposition sind (ab-, ein-, aus-, an-, auf-, zwischen-, mit-, vor-, nach-, entgegen-, voran-, voraus…).

Neue Qualität zeigt sich erst, wenn sie ihre infinite Form verlassen. Da nämlich scheiden sie sich buchstäblich. Die unechten Präfixe gilt es abzutrennen.

abtrennen – trennt ab

einkaufen – kauft ein

ausatmen- atmet aus

fortfahren – fährt fort

voranstellen – stellt voran

einklammern- klammert ein

Das hat syntaktische Folgen. Denn das Prädikat klammert mit seinen beiden Teilen sämtliche weiteren Aussagen ein:

Sie kommt am Hauptbahnhof um Mitternacht mit dem Schnellzug an.

Es gibt solche, die kommen scheinbar gleich daher. Erst durch ihre Betonung erhalten sie
unterschiedliche Bedeutung – und das drückt sich dann syntaktisch aus! Diese janusköpfigen können
mit über-, unter-,
durch-
, um-, wieder-, hinter- beginnen:

Es ist ein Unterschied, ob ich mit Problemen umgehen muss,
oder ob ich sie umgehen muss! Ob ich ein Stoppschild
überfahre oder überfahre.

Grundsätzlich gilt die Trennungsregel für zusammengesetzte Verben, sobald die jeweils vorangestellte
Partikel betont ist:

umgehen- umgehen

umstellen- umstellen

übergehen– übergehen

untergehen- unterlaufen

durchfahren-durchfahren

durchgehen- durchlaufen

untergraben- untergraben

überziehen- überziehen

übersetzen- übersetzen

Natürlich gibt es wieder die Ausnahme, die alle Regeln zunichte zu machen scheint:

bevorstehen – steht bevor – bevorgestanden

bevormunden – bevormundet – bevormundet

Lassen Sie sich nicht foppen!

Im ersten Fall ist die Präposition bevor im Einsatz. Im zweiten hat das Verb, das sich
von Vormund ableitet, ein echtes Präfix, nämlich be- erhalten. Mit diesem
Trick lassen sich nämlich ganz einfach transitive Verben konstruieren.
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Deklination und Konjugation als grammatische Grundbegriffe

Was heißt das eigentlich: deklinieren und konjugieren? Wir nennen es leichthin übersetzt: beugen. Vielleicht haben auch Sie sich gefragt, was das zu bedeuten hat – gebeugt unter dem Joch? Man widmet sich dem Vorgang, ohne sich Rechenschaft abzugeben.

1. Deklination:
Ein Substantiv beugen, deklinieren, meint, es durch seine Fälle / Kasus führen. Der jeweilige Fall ist nicht zufällig, sondern unterliegt einem Regenten! Dieser kann ein Verb (Tuwort)
sein oder eine Präposition (Verhältniswort: eine Voransetzung, die eine Relation ausdrückt). Manchmal nehmen wir es überdeutlich wahr: Da verlangt ein Verb – oder eine Präposition – offensichtlich zwingend einen bestimmten Fall, sonst klingt alles falsch! Das nennt man regieren.

So regiert etwa helfen den Dativ (dare = geben), unterstützen dagegen den Akkusativ (accusare = anklagen), sich annehmen den Genitiv (genus = Herkunft), während das Subjekt, also die handelnde Person, im Nominativ (nomen = Name) steht. Nur das Verb sein als Vollverb kann den Nominativ regieren: so entsteht das Prädikatsnomen: z.B. er ist Lehrer. (jemandem helfen – jemanden unterstützen – sich jemandes annehmen – jemandem etwas geben – jemanden anklagen – jemandes bedürfen – jemand sein)

Und wie steht es um die Präpositionen? Z.B. verlangt entgegen den Dativ, für den Akkusativ, wegen den
Genitiv (entgegen seinen Leistungen, für seine Leistungen, wegen seiner Leistungen).

2. Konjugation
Ein Verb beugen, konjugieren, heißt durch die Personen – sodann durch Tempora / Zeiten, Modi / Aussagearten (Indikativ / Konjunktiv) und das Genus Verbi (Aktiv / Passiv)
führen. Mit der Personalendung erhält
das Verb seine finite (kontext-endgültige) Form.

Konjugiert geht ein Verb Verbindungen in verschiedenen syntaktischen Zusammenhängen ein:
personale, zeitliche, modale und Satzgefüge bewirkende.
Ein konjugiertes Verb kann für
sich stehen, mit einem Subjekt einen vollständigen
Satz ergeben: das ist ein Vollverb, z.B. arbeiten,
spielen….. Er arbeitet. Das Kind spielt.

Andere verlangen, um einen Sinn
herzustellen, unbedingt ein Objekt (- man versucht
es gelegentlich mit dem anschaulichen Begriff Mitspieler zu umschreiben
-):
Jemandem
vertrauen, jemandem sich / etwas
anvertrauen, auf jemanden vertrauen. Ich vertraue dir. Ich vertraue mich / etwas  dir

an
. Ich vertraue auf dich.

Und nun noch ein Bonbon für Sprachfüchse: trauen
Sich trauen oder jemandem trauen?
Sich trauen (das ist reflexiv also notwendigerweise mit Akkusativ). Es bedeutet den Mut haben,
z.B. etwas zu tun:
Ich traue mich … zu widersprechen, … in die Achterbahn, …
Sich / jemandem trauen (mit Dativ), ich traue mir oder jemandem, d. h.
Zutrauen zu sich / zu jemandem zu haben.

Trauen im Sinne von verheiraten – das
kann nur eine dafür bestimmte Person, etwa der Pastor oder der Standesbeamte.
Die Brautleute hingegen müssen schon das Passiv hinnehmen, wenn sie
sich trauen lassengetraut werden!


Vertrauen, Zutrauen und Zuversicht ist aber allemal im Spiel!


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