Archiv nach Monaten: Juni 2020

Ein komischer Kauz im Hinterhof

Tengmalm Eule (Aegolius Funereus)

Tengmalm Eule (Aegolius Funereus)
Bild: Maik Meid
Lizenz: Creative Commons

Hier sind die Hinterhöfe fast unzugängliche Gevierte, die sommers mit Gärten üppig begrünt sind und winters in vergessenen Laubhaufen unter Holunder- und Rhododendronbüschen allerlei verschwiegene Rückzugsorte bieten. Das Astwerk schnellwüchsiger Bäume – Ahorn, Birke und Robinie – ist für Vögel Raum für Kommunikation und Ruhe. Efeubewachsene Mauern und Zäune und mit Storchschnabel, Weidenröschen und Fingerhut geschmücktes, brombeerberanktes Ödland sind für Kleintiere und Vögel Schutz vor Störenfrieden und Raum für Werbung und Kinderstube.

Bei Tagesanbruch erfüllen die zwitschernden Stimmen der kleinen Singvögel die Luft – während der Zeit von Revieranspruch und Paarung: Amsel, Rotkehlchen, Kohl- und Blaumeise. Schon bald übertönen sie die gurrenden Laute der Ringeltaube. Dann übernehmen die heiser lärmenden von Elster, Eichelhäher und Krähe das Regiment bis hinüber zur Straße.

Wenn es Nacht wird, schweigen die Vögel. Dann dürfen samtpfotige Stubentiger durch die Büsche streifen, Igel verlassen ihren Unterschlupf und gehen rückhaltlos schnüffelnd auf Futtersuche: von Menschen dargereichte Apfelstücke, aber auch Selbsterbeutetes wie Käfer, Raupen, Regenwürmer – selten einmal eine unvorsichtige Maus.

Es ist nämlich auch die Zeit der Mäuse, die sich unterwegs – für unsere Ohren unhörbar – wispernd verständigen und ihre Wege für ihre Artgenossen mit winzigen Duftmarken versehen.

Diese kaum merklichen Zeichen ihres Treibens bleiben nicht unbemerkt bei jenen, die sie schon erwarten – den nachtaktiven Jägern.

Zu ihnen hat sich neuerdings ein weiterer Kumpan gesellt. Kein Meister Reinicke, kein Isegrimm, kein wühlendes Wildschwein – wie bereits nächtens am Jungfernstieg bezeugt. Schon gar nicht ein mülltonnenprüfender Problembär oder ein kraxelnder Waschbär, die bekanntlich der menschlichen Zivilisation besonders aufgeschlossen begegnen.

Es ist eine Eule, Aegolius funereus, „Begräbniseule“. Denn ihr Ruf, der mal schrill, mal hohl durch die nächtlich flüsternden Gärten hallt, klingt wie „kiwitt – kiwitt … gu-gu, gu-gu“, im letzten Abendschein von unseren Altvorderen schaudernd als Ruf des Sensenmannes gedeutet als bedrohliches „Komm mit, komm mit! Zur Ruh‘, zur Ruh‘!“.

Das ist die Stimme des Waldkauzes.(1)

Waldkauz als Ästling

Waldkauz als Ästling
Bild: bartbblom
Lizenz: Creative Commons

Der Waldkauz (Strix aluco) ist die häufigste heimische Eule (Strigida). Ein Oberbegriff für Käuze und Eulen lautet γλαῦϰ, gaux, wodurch lautmalerisch auf ihren Ruf Bezug genommen wird. Der Waldkauz wirkt taubengroß durch sein aufgeplustertes Gefieder, in Wirklichkeit ist er aber verglichen mit ihr sehr leicht. Käuze unterscheiden sich nur durch das kompaktere Erscheinungsbild von den übrigen Eulen. Sie sind scheue Zeitgenossen. Nächtliche Jäger, Nachtgreife in der Ornithologenfachsprache. Eulen halten sich am Tag verborgen; nur selten gewahrt man sie, reglos auf einem Ast verharrend, mal die Augen von einer Nickhaut verschlossen, mal scheinbar blinzelnd, dabei stoisch geradeaus blickend. Nur Eulen haben ein für menschliche Wahrnehmung erkennbares „Gesicht“. Beide Augen sind nach vorn gerichtet. Das ermöglicht ein räumliches Sehen. Ihre Augen gleichen in ihrem Gelbton denen einer Katze. Und tatsächlich, auch die Funktion ihrer Augen – das Auffangen und Vervielfachen der Lichtstrahlen in einer durch eingelagerte kristallartige Sensoren hochempfindlichen Iris, das Öffnen und Schließen der Pupille als Einlass kleinster Impulse – sind Katzenaugen vergleichbar. Nichts entgeht ihren Blicken, weil sie, mit zusätzlichen Halswirbeln ausgestattet, ihren Kopf um 240° drehen können. Sie haben sehr funktionstüchtige Ohren, denen der Federkranz, der die Augen umgibt, als Schalltrichter dient. So können sie sich auch bei völliger Dunkelheit über das Gehör orientieren. Hinzu kommen Besonderheiten, die den Flug eines Nachtvogels unhörbar, seine Gestalt kaum wahrnehmbar machen: ein samtartiges Gefieder, gezackte Flügelfedern, die das Fluggeräusch verschlucken, dazu ein unbeweglicher Ansitz und farblich der Umgebung angepasstes Gefieder.

Die Schreie der Eulen dienen der Kommunikation untereinander. Die Zeit ihrer Stimmaktivität liegt zwischen Mai und September. Der Ruf signalisiert den Revieranspruch des Männchens und ist gleichzeitig Lockruf mit dem Angebot eines Nistplatzes für ein Weibchen. Auf das Signal „schu-hu“ antwortet das Weibchen mit einem scharfen „kjewik“. Auch Warnrufe des Männchens an das brütende Weibchen oder die Jungen und deren Bettelrufe gehören zum Lautrepertoire.

Bemerkenswert ist der weithin hörbare Ruf des Männchens. Dabei bedient es sich eines unter seiner Kehle befindlichen aufblähbaren Schallkörpers, der eine Resonanz der Schwingungen seiner Stimmbänder erzeugt.(2) Dabei bleibt der Schnabel geschlossen, und die Halsfedern geraten in heftige Bewegung – vergleichbar dem vibrierenden Gefieder gurrender Tauben.

Das Nahrungsangebot auf kleiner werdenden Naturflächen wird geringer. Das mag der Grund sein, dass selbst Eulen den menschlichen Kontakt immer weniger scheuen. Inzwischen findet man den Waldkauz in Parks und Gärten mit altem Baumbestand. Die tagsüber im Verborgenen abwartenden Tiere finden hier das Lebensnotwendige: Mäuse, Käfer, Nachtfalter, Regenwürmer, Schnecken. Dazu im Schutze menschlicher Habitate sichere Brutplätze. Die nächtliche Aktivität bewahrt sie vor den berüchtigten tagaktiven Nesträubern, den Elstern und Krähen.

Die Aufzucht ihrer Brut wird mit jeder sich an die Umgebungsgeräusche und -aktivitäten gewöhnenden Generation selbstverständlicher. Tiere, die diesen Anpassungsprozess bewältigen, weil sie daraus Vorteile für das Überleben ihrer Art ziehen – Obdach, Schutz vor Fressfeinden und Nahrungskonkurrenz -, heißen Kulturfolger.

(1)
2)
(2)
Die Vögel erzeugen die Laute in einem eigenen Organ (Syrinx), einer Art von unterem Kehlkopf am unteren Ende der Luftröhre, an dem die beiden Hauptbronchien zusammenkommen.
http://www.kaiseradler.de/html/greifvogel_eulen_6b.html

Seelenbegabtheit – Verpflichtung und Auftrag

Kuppelbild Gott Vater

Kuppelbild Gott Vater
Foto: Martin Geisler
Lizenz: Creative Commons

Der Mensch ist erfüllt von dem trügerischen Bewusstsein, in Gottes Kreatur hervorgehoben zu sein. Er lebt in der Arroganz eines gottesebenbildlichen Wesens.

Was, wenn nicht das Alte Testament in seiner farbigen Sprache, könnte das hervorbringen! Und – wie verführerisch ist der Gedanke: von Gott geformt nach seinem Ebenbild, von Gottes Atemhauch beseelt!

Wie schnöde erscheinen dagegen Evolutionsgedanken: Menschen, deren Urahnen als ungeschlachte, glubschäugige Quastenflosser ans feste Land krochen; rattenartige Säugetiere, die zwischen gewaltigen Riesenechsenbeinen wimmelten und von ihren Überbleibseln profitierten; Vorgänger, die in ihrer noch offenen Anpassungsfähigkeit Erdkatastrophen überlebten, Existenznischen fanden. Sollten sie sich zu zweibeinigen, vernunftbegabten, beseeltäugigen Beherrschern des Planeten Erde aufschwingen?

Eine andere Idee ist das Bewusstsein als entscheidende Ebene der Abgrenzung zur Tierwelt.

Das Bewusstsein ist ein Ausdruck des Wissens um die eigene Vergänglichkeit. Die eigene Zeitlichkeit ist die Zeit, die einem Lebewesen für sein Leben zugeteilt ist. Und wie wird Zeit dann empfunden, wenn sie Lebenszeit ist? Ist die Lebenszeitempfindung einer Eintagsfliege eine andere als die einer Riesenschildkröte, deren Zeiterleben sich in Jahrhunderten misst? Dieser Zeitbegriff ist menschengemacht. Er ist ein Hilfsmittel, um Vergangenes, Erfahrenes, Widerfahrenes, Vernommenes, Geplantes und Unvorhersehbares zu ordnen.

Im Labor der Zeit, 2018, Aquarell, Tusche, Farbstift

Im Labor der Zeit, 2018, Aquarell, Tusche, Farbstift
Bild: Hjuthke
Lizenz: Creative Commons

Das Bewusstsein macht sich auch ein Bild der Zeit an sich. Es hat einen Begriff und eine Vorstellung von Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft.

Aber gibt es überhaupt eine Gegenwart? Ist nicht alles noch Gedachte und Vorgestellte Zukunft; befindet sich nicht alles Tun schon an der Schwelle zur Vergangenheit?

Gegenwart ist in diesem Denkschema nur eine subjektive Wahrnehmung, nur eine schmale – eher gedachte, denn darstellbare – Linie im Sein, die Vergangenheit und Zukunft voneinander scheidet. Vergangenheit ist eine weite Dehnung zwischen Erlebtem und Geschichte. Zukunft bleibt im Ungewissen. Denn wir können zwar vorausschauend denken und planen. Aber der Rest unseres Tuns und Seins, Orte, Begegnungen und viele andere Einflüsse liegen nicht in unserer Hand.

Resultiert daraus der Glaube an die Vorherbestimmtheit des Schicksals? Wo bleibt dann der Gedanke einer freien Entscheidung des Menschen, der ihn als einen Bewusstseinsbegabten kennzeichnet? Ist es wirklich Gott, der unsere Geschicke bestimmt und lenkt? Oder ist es nicht eher seinen Geschöpfen aufgegeben, nach seinen Geboten handelnd, das Gottgewollte zu schaffen?

Allen nicht-menschlichen Wesen auf unserer Erde wird das Selbstverständnis, die Selbstwahrnehmung als Wesen in einem Gefüge, das man Welt nennt, und der Begriff der eigenen Existenz in den Grenzen eines Systems von Zeit und Raum abgesprochen.

Was wissen wir denn über andere Formen der Wahrnehmung? Wir sind verhaftet in unserer eigenen Vorstellungswelt.

Gibt es Bereiche, die uns verschlossen sind? Gibt es politische, soziale, emotionale Kategorien, die für uns nicht fassbar sind, weil über die Grenzen unserer Systeme hinaus zu denken für uns unmöglich ist?

Sind es ausschließlich menschliche Gesellschaften, die soziales Empfinden haben? Soziales Leben? Leben in einer Gemeinschaft, braucht eine Organisation. Diese Organisierung geschieht in einer Beziehung zueinander, um die Rolle, die man als Glied der Gemeinschaft hat, zu definieren. Aus diesem Bezug erwachsen Gefühle füreinander: Mitgefühl, Pflege, Fürsorglichkeit. Aber Gemeinschaft erzeugt auch Differenzen: Verantwortlichkeit und Gleichgültigkeit, Sympathie und Abneigung, Freundschaft und Feindschaft, Liebe und Ablehnung.

Emotion kommt zum Ausdruck in Pathos und Psyche, Empfindung und Seele, dem Ort innerer Bewegtheit.

Paul Klee: Das Pathos der Fruchtbarkeit

Paul Klee: Das Pathos der Fruchtbarkeit
The Berggruen Klee Collection, 1984
Lizenz: Creative Commons

Pathos, altgriechisch πάθος, bedeutet Leiden, Empfinden, übertragen eine feierliche Gestimmtheit, eine erhabene Bewegtheit. In der Rhetorik zielt es auf ein emotionales Echo des Hörers, auf seine Empfindungen, seine Identifikation, seine ungeteilte Aufmerksamkeit, seine seelische Teilnahme: seine Psyche.

Psyche, altgriechisch ψυχή‚ lateinisch anima, Hauch, Seele, besitzt auch den Nimbus des alttestamentarischen, den des einen unbelebten Lehmklumpen animierenden Gottesodems, der den Menschen zu einem besonderen Wesen vor allen anderen macht.

Haben Tiere Empfindungen, die Pathos und Psyche ausdrücken, haben sie wie Mitgefühl und Liebe?

Gerade von einem Tier, das in unsere Kommunikation eingebunden ist, von einem vertrauten Haustier, das als guter Freund des Menschen empfunden wird und an seiner Seite ist, präsent und spontan, erlebt der Mensch manchmal mehr Zuspruch und Trost als von einem Menschen.

Der rührende Augenaufschlag eines Hundes, sein Apportieren eines aufmunternden Gegenstandes. Oder das vertrauensvolle Schmiegen einer alten Katze an ihren Menschen. Selbst das konzentrierte Lauschen eines Zwergkaninchens auf die Stimme seines Menschen, Geräusche, Worte, die nur ihm gelten: Auch in der Tierwelt gibt es Emotionen, Mitgefühl, Vertrauen, Fürsorglichkeit, Dank. Man denke nur an die Selbstlosigkeit, mit der ein Elefantenjunges in seiner Herde versorgt wird. Delphine, die einen Menschen vor dem Ertrinken retten. Das alles sind Seelenäußerungen, Zeugnisse tierischer Anteilnahme, innerer Bewegtheit, kreatürlichen Engagements für andere.

Aber wie sonst, wenn nicht mit seiner von Gott gegebenen Überlegenheit, sollte der Mensch seinen Umgang mit der ihm anvertrauten Natur begründen? Und wie soll er vertreten, dass dabei so vieles misslingt und unwiederbringlich zerstört oder getötet wird?

Der Anspruch der Menschheit ist die alttestamentarische Untertanmachung der Erde, die Beherrschung der Natur. Ihr Auftrag ist aber auch Fürsorge, Verantwortung und Schutz der ihr anvertrauten Kreatur. Sind diese Aufträge überhaupt erfüllbar angesichts der Eruptionen, die den Menschen zu einem Spielball ungeahnter Kräfte machen können?

Demut ist das Gebot, wenn es einen Gott gibt, der ihm seine Schöpfung anvertraut.

Ein Menschenbild zwischen Vergänglichkeit und Naturbeherrschung

Wotan

Wotan
Bild: Hermann Hendrich, 1926
public domain

Schon zu allen Zeiten glaubten Menschen an höhere Mächte, Mächte, die über ihnen standen, sie ermächtigten, schützten und bestraften, bestimmten und lenkten. Diese Götter stellten zwar beständig Forderungen, aber sie entließen den Menschen auch aus der Verantwortung seiner Lebensgestaltung, weil sie schicksalsbestimmend waren. Das Fatum, das Schicksal des irdischen Menschen, war vorherbestimmt; und es lag in der Hand der göttlichen Macht.

Ein Unterscheidungskriterium zwischen dem irdischen und dem göttlichen Wesen war zuerst sein Aufenthaltsort. Der Mensch hatte auf Erden seine Heimat, die Götter im Himmel. Für die Griechen des klassischen Altertums war das der Olymp, eine Sphäre, die nach menschlichen Vorstellungen gestaltet und aufgeteilt, jedoch den höchsten Göttern vorbehalten war. Dem Olymp gegenüber stand der Hades, Schattenreich und Unterwelt, das Reich der Toten. Kein Lebender hatte dort Zutritt, so wie kein Toter ihm je wieder entkommen konnte. Die dritte Sphäre war die Erde, χθών, chthṓn, Erde. Sie war überschaubarer. Aber alle Regionen und Bereiche des Lebens unterstanden einer besonderen Regentschaft einer Gottheit. Die bewohnte Erde gliederte sich in menschenfreundliche, bewohnbare Regionen aber auch in abweisende, unwirtliche. Der alles umgebende Himmel dagegen erschloss sich schwerer. Er war sichtbar grenzenlos, unerreichbar, unendlich. Deshalb war er in allen Mythologien schon immer die Wohnung der Götter.

Im Lateinischen heißt Mensch homo, von altgriechisch ὁμός. homós‚ gleich, homilis „gleichartig“. Das ist auch ein humanistischer Gleichheitsgedanke. Das Wort liegt sprachlich nahe an humus, Erde, und humilis, irdisch, niedrig. Tatsächlich bedeutet es wohl „der aus Erde Geschaffene“, Erdling, Irdischer, Vergänglicher. Dahinter stand die Vorstellung der nicht durch ihn selbst beeinflussbaren Vergänglichkeit und des Zeitpunkts seines Todes. Darin spiegelte sich die Gewissheit wider, dass Sterblichkeit Zeitlichkeit bedeutet, das Zurücksinken des Lebendigen in das Tote sein werde.

Der sterbende Mensch bewegt sich wieder zu seinen Ursprüngen, der Erde, dem Humus, der aus sterblicher, toter, dennoch ehemals lebendiger Substanz entstanden war und nun dem Prozess der Zersetzung und Neuzusammenfügung anheimgegeben war. Der Begriff der „Mutter Erde“ knüpft an diese Idee an. Es bestand auch ein Trost darin, als Verstorbener werde man wieder in die Erde eingehen, wieder zu Erde werden, aus der man hervorgegangen war.

Adam und Eva

Adam und Eva
Bild: Albrecht Dürer
public domain

Nach christlicher Lehre war Adam, der Urvater aller Menschen, bei seiner Erschaffung von Gott aus einem Erdklumpen geformt worden.

Die christliche Bestattungsformel gemahnt denn auch: „Erde zu Erde. Asche zu Asche.“ Asche ist der Rest, Kohlenstoff, der übrig bleibt, wenn alle anderen Bestandteile gelöst und verbrannt sind. Der dritte Teil der Formel lautet folgerichtig: „Staub zu Staub.“ Staub ist das, was bleibt, wenn alles Wasser, die Unabdingbarkeit für Leben und Lebendigkeit, zerronnen und in neuen Organismen verstofflicht ist. Der Leichnam zerfällt dann zu Staub.

Obwohl sich die lateinische Sprache, die sich einerseits in mythologischen Übereinstimmungen und andererseits aus kulturell-kolonialen Vermischungen und räumlicher Nähe ergeben hatte, der griechischen Kultur immer verbunden war, zeigt sich im Bereich der philosophischen Auffassung des Begriffs Mensch keine sichtbare Übereinstimmung.

Es findet sich in der Etymologie des altgriechischen Wortes ἄνθρωπος, anthropos, Mensch, kein Hinweis auf eine Gemeinsamkeit mit dem lateinischen homo. Die Herkunft des griechischen Wortes liegt überwiegend im Dunkel; bedeutungsgebend scheinen eher Hinweise auf eine weiter zurückliegende, schwer zu überprüfende indogermanische Wurzel, die auf aufrechten Gang, die Benutzung des Arms, *an-, als spezifisch menschliches Merkmal weist. Denn dies ist eine Fähigkeit, die ihn zur Ausbildung der Hand als Greifinstrument – durch das in der Tierwelt bis dahin unerreichte Novum der Daumenopposition – und damit zum Gebrauch von Werkzeugen und von Waffen tauglich machte. Der Gebrauch des Arms war der Beginn körperlicher Überlegenheit gegenüber anderen Tieren. Als weitere denkbare etymologische Wurzel wird die Hinwendung des menschlichen Gesichts, πρόσωπον prósōpon, zu seinem Gegenüber in Betracht gezogen (1). Ist dieses Merkmal, sein Gesicht mit seinen Absichten, Emotionen, Stärken und Schwächen zu zeigen, nicht das zutiefst menschlichste bei der immerwährenden Konfrontation mit Freund und Feind?

(1) Eine etymologische Spur lautet ‚mit Mannesgesicht begabt’, aus *ἀνδρ-ωπ-ος ‘.Dazu πρόσωπον prósōpon, Gesicht, wobei eine Buchstabenfolge – θ für δ – ungeklärt bleibt.
http://ieed.ullet.net/friskL.html
(Stichwort ἄνθρωπος, Mensch)