Libellen – wendige Jäger im schillernden Gewand

Zeitlupe: Fliegende Libelle in Zeitlupe
Urheber: Joris Schaap
Creative-Commons-Lizenz

Eine Haarspange aus meiner Kinderzeit hieß Libelle. Sie bestand aus einem aufgebogenen Oval, durch das ein beweglicher Dorn geführt wurde, der eine Haarsträhne waagerecht fixierend unterlief. Was sie mit dem flirrenden Insekt gemeinsam hat, erschließt sich erst bei genauerer Betrachtung.

Der Name Libelle ist bei der Haarspange wie bei dem Insekt eine bildhafte Ableitung. Lateinisch libra bedeutet Waage. Die Diminuitivendng -elle macht daraus eine „kleine Waage“. So elfenhaft der Name Libelle für das schillernde, durchsichtig geflügelte Wesen klingen mag, ist er in Wirklichkeit doch ganz profan hergeleitet: Betrachtet man den Körper einer Libelle, so kann man die T-förmig zum langgestreckten Leib sich rechtwinklig ausstreckenden gleichförmigen Flügelpaare wie Balken einer altertümlichen Handwaage ansehen.

Libellen sind hierzulande wohl die anmutigsten und farbigsten Insekten. Ob im Ruhezustand oder im Flug – sie wirken in ihrer spektralen Farbenpracht, der gläsernen Durchsichtigkeit ihrer feingeäderten Flügel, dem nervös wippenden, langgestreckten Leib und einem von riesigen, schwarzglänzenden Augenpaaren beherrschten Kopf, überirdisch schön und respekteinflößend. Unter den heimischen Fluginsekten sind sie mit einer Flügelspannweite von bis zu mehr als sieben Zentimetern die auffälligsten. Aus urzeitlchen Versteinernungen aus dem Trias und dem Carbon, als das Leben auf der Erde von Insekten beherrscht wurde, kann man ersehen, dass sie damals die zehnfache Größe erreichten.

In der Kunst beleben sie Jugendstilornamente als feingliedrige Wesen, die wie Schwäne, Elfen, Lilien und Blütenranken den dekorativen Charakter eines romantisch verklärten Zeitgeistes zum Ausdruck bringen.

Paarung der Libellen

Paarung der Libellen – Foto: Gerthorst78 – Creative Commons

Im Gegensatz zu anderen Fluginsekten können Libellen ihre Flügel im Ruhezustand nicht auf dem Rücken zusammenfalten. Der bewegliche Kopf, der sich deutlich vom Rumpf abhebt, wird beherrscht von zwei großen Facettenaugen. Drei weitere, mittig darüber angeordnete Augen, vermitteln dem optisch und flugtechnisch hochspezialisierten Insekt Angaben zum Stand des Horizonts und gewährleisten die Erhaltung des Gleichgewichts bei hoher Fluggeschwindigkeit. Außerdem ist der Kopf mit klauenartiken Mundwerkzeugen, Mandibeln, zur Ergreifung der Beute ausgestattet. Gerade sie sind die Merkmale, aus denen sich die zoologische Bezeichnung der Libellen herleitet: Odonata, Gezähnte. Etymologisch erkennt man darin griechisch δόντι, dónti und lateinisch dens, dentis Zahn.

Ein weiteres Merkmal hebt die Libelle von anderen geflügelten Insekten ab: Ihre Flügel bewegen sich unabhängig voneinander wie Rotoren, einer Technik, die sie in der Jagd besonders erfolgreich macht. Mitten im Flug kann sie abdrehen oder stehend verharren. Ihre maximale Fluggeschwindigkeit erreicht 50 km/h; ihr entrinnt keine Beute.

Diese Flugfertigkeiten haben sie zum Vorbild für einen Hubschrauber, einen Helikopter, gemacht.

Der Name Helikopter ist dem Griechischen entlehnt. Wörtlich übersetzt „Drehflügler“, setzt das Wort sich aus griechisch ἕλιξ hélix, Gen. ἕλικος helikos, Windung und πτέρον, ptéron, Flügel, zusammen.
Der griechische Namensbestandteil -pter, Hinweis auf Flügel, taucht in der biologischen Taxonomie häufig auf. Er ist allerdings schwer zu identifizieren, weil unserem phonetischen Empfinden der Laut pt fremd ist. Also trennt man das Wort Helikopter nicht, wie es seiner Herkunft und Zusammnsetzung entspricht: heliko-pter, sondern „*Helikop-ter“.

Ein Hubschrauber steigt und landet wie eine Libelle senkrecht. Und auch wie eine Libelle ändert er unmittelbar die Flugrichtung. Seine Flügel, die Rotoren, vermitteln das Bild voneinander unabhängig rotierender Libellenflügel, während ein langgestreckter, sich nach hinten verjüngender Flugkörper das Gleichgewicht hält.

Die Libelle ist ein Raubinsekt, ein Jäger, der alles ergreift, das er auf dem Wasser oder in der Luft überwältigen kann. Neben Insekten und Spinnen gehören sogar kleinere Libellen und Kaulquappen zu ihrem Beutespektrum. Man sieht Libellen meistens in der Nähe stehender, wasserpflanzenreicher Gewässer, wo ihre Entwicklung beginnt. Sie reicht von der Larve, der larva,, lateinsch Gespenst, Hülle, bis zum adulten Lebewesen, der imago, lateinisch Bildnis. Feuchtgebiete sind ihre bevorzugten Jagd-, Paarungs- und Brutstätten. Hier begegnet man Libellen im Tandemflug, einer speziellen, aufeinander abgestimmten Paarungsstellung. Das Männchen klammert sich dabei an das Weibchen und bringt sein Sperma in eine Öffnung am Hinterleib des Weibchens ein. Dieses lässt seinerseits die befruchteten Eier je nach Art ins Wasser oder eine ausgetrocknete Senke fallen oder klebt sie als Paket an senkrecht aufragende Wasserpflanzen, die den in aufrechter Haltung wachsenden Larven in ihrer frühen Entwicklung Halt geben. Dieses Larvenstadium ist das längste im Insektenleben der Libellen. Sie verbringen es nach dem Schlupf als hochspezialsierte Jäger im Wasser. Sie brauchen für ihr Wachstum, das mit mehreren Häutungen verbunden ist, eiweißreiche, tierische Kost. Ausgerüstet mit einem ausfahrbaren Fangkorb unter dem Kiefer machen sie Jagd auf alles, dessen sie habhaft werden.

Erst nach der Verpuppung der nach menschlichen Vorstellungen hässlichen, graubraunen Larve, die im schlammigen Uferbereich auf Beute lauert, erscheint das fertige Fluginsekt in seiner ganzen Schönheit. Der energiezehrende Lebensabschnitt als Imago ist nur von kurzer Dauer. Er dient der Vermehrung – der Kopulation und Eiablage. Damit hat das Insekt seine Bestimmung erfüllt und stirbt mit dem Ausgang des Sommers.

Libellen sind zwar in ihrer Jagdtechnik hochspezialisierte Raubinsekten. Entgegen aller Befürchtungen sind sie für Menschen ungefährlich. Sie haben keinen Giftstachel und ihre Beißwerkzeuge können nur ihren Beutetieren etwas anhaben.

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1 Kommentare.

  1. Ein sehr informativer und brilliant recherchierter Artikel. ich bin begeistert ! : 😆

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