Umlaute – eine typisch deutsche Marotte?

Umlaute sind Lautverschiebungen. Wir spüren der Regelhaftigkeit dieses Vorgangs nach. Umgelautet werden im Deutschen Substantive, Adjektive und Verben in ihren gebeugten, das heißt dem Satz angepassten Formen.

Einladung zu einem Exkurs: Werfen wir einen Blick auf unseren zukünftigen EU-Partner; auch das Türkische ist durch eine Vielzahl von Umlauten klanglich gekennzeichnet. Ein türkisches Wort enthält entweder dunkle oder helle Vokale. Dieses unverzichtbare Prinzip heißt Vokalharmonie. So kommt zustande, dass jedes konjugierte Verb sogleich mit der vokalisch passenden Personalendung und gegebenenfalls dem integrierten Fragepartikel zu versehen ist. Folgende Vokalgruppen bilden eine Harmonie: e, i, ö, ü und a, I – ein i, dem der I-Punkt zwingend fehlt, es wird gesprochen wie das e in Mangel, so verliert es seine Helligkeit – o, u.

Umlaute, das sind die Lautübertragungen von -a zu -ä, von -o zu -ö, von -u zu -ü und von -au zu -äu. Einer Regelhaftigkeit dieses Vorgangs nachzuspüren, wollen wir uns anschicken. Umgelautet werden im Deutschen Substantive (Namenwörter), Adjektive (Eigenschaftswörter), Verben (Tuwörter) in ihren gebeugten, das heißt dem Satz angepassten Formen. Diese drei Wortgruppen sind inhaltlicher Träger eines Satzes. Lautverschiebungen finden sich also bei inhaltlich tragenden Wortgruppen. Daraus ergeben sich erhebliche grammatische und orthographische Wirkungen. Daneben gibt es einige Wörter, die einen Umlaut enthalten, deren Herleitung sich nicht unmittelbar erschließt, zum Beispiel für oder über. Diese sind nicht Ergebnis einer Lautverschiebung, ihr Umlaut ist originär.

Bei Substantiven geht die Lautverschiebungen in aller Alltäglichkeit vonstatten, nämlich bei Diminuitiva (Verkleinerungen) Baum – Bäumchen, bei Pluralbildungen Baum – Bäume, bei Ableitungen Baum – sich aufbäumen. Das Tückische daran ist, dass es offenbar keine Regeln gibt, denen die Lautverschiebung hier gehorcht. Die Beispiele machen es deutlich.

Beispiele für Umlautung bei Personen
Vater – Väter – Väterchen/lein – väterlich

Mutter – Mütter – Mütterchen/lein – mütterlich – bemuttern – Muttchen – Muttern

Bruder – Brüder – Brüderchen/lein – brüderlich – verbrüdern

Onkel – Onkel – Onkelchen – onkelhaft

Tante -Tanten – Tantchen – tantenhaft – tantig

Bauer – Bauern – Bäuerlein – bauen – bäuerlich

Beispiele für Umlautung bei Tieren
Wolf – Wölfe – Wölfchen – Wölfin – wölfisch

Fuchs – Füchse – Füchslein – Füchsin – ausgefuchst – fuchsig

Maus – Mäuse – Mäuschen – Mäuslein – mausen

Hund – Hunde – Hündchen – Hündin – hündisch

Kinder bilden folgerichtig beim Erstspracherwerb Hund – Hünde. Es bedarf einer gewissen Überredungskunst, um Sprachrichtigkeit durchzusetzen. Technische Begriffe hingegen haben oft zur Abgrenzung eigene Pluralformen, die also ohne Umlaut gebildet werden, Bank – Banken, Bund – Bunde, Mutter – Muttern. Daran erkennt man, wie beliebig Umlaute funktionieren.
Obgleich es der Begriff Umlaut nahezulegen scheint: Es gibt auch Wörter, deren lautliche Herkunft im Dunkel bleibt: Säbel, Mönch (wohl „monasterium“), Glück, Tücke, Müller, Mühle, wühlen seien genannt.
Adjektive (Wiewörter) können umgelautet werden, wenn sie gesteigert werden:
hart – härter – am härtesten,
groß – größer – am größten
Aber es gibt kein verlässliches Muster:
zart – zarter – am zartesten
lose – loser – am losesten
hohl – hohler – am hohlsten
rund – runder -am rundesten
hoch – höher – am höchsten
gut -besser – am besten
Auch hier ist die Logik kindlichen Sprachlernens anzuführen. Sie bilden folgerichtig: hoch – höcher, gut – güter – am gütesten.
Die Adjektive beeinflussen wiederum Ableitungen.
hart: die Härte, verhärten, Verhärtung
zart: Zartheit, zärtlich, verzärteln
groß: Größe, vergrößern
lose: Lösung, lösen
hohl: Höhle, aushöhlen, Höhlung, Hohlheit
rund: Rundung – Runde – umrunden – rundlich (Hier gibt es keine Umlautungen.)
hoch: Höhe, erhöhen
gut: Güte, vergüten
Verben (Tuwörter) werden in ihren unregelmäßigen Erscheinungen umgelautet. Das kann im Präsens (Gegenwart) der Fall sein
laufen -> läuft
oder im Konjunktiv II
lief -> liefe
lesen – las -> läse
Der Konjunktiv II ist die Form, die abhängig von der unregelmäßigen Präteritum- (Imperfekt/Vergangenheit) Form umgelautet wird. Entscheidend ist also der Vokal des Präteritums. Also heißt es folgerichtig auch brauchte im Konjunktiv II.
Beispiele, die den Prozess a -> ä, o -> ö, u -> ü, au -> äu verdeutlichen
lügen – log -> löge

trügen – trog -> tröge

biegen – bog -> böge

sehe – sieht – sah -> sähe

lesen – liest – las -> läse

sprechen – sprach -> spräche

geben – gab -> gäbe

schelten – schilt – schalt -> schälte

kommen – kam -> käme

fliegen – flog -> flöge

saufen – säuft – soff -> söffe

schwimmen – schwamm/schwomm -> schwämme/schwömme

tun – tat -> täte

haben – hatte -> hätte

schaffen – schuf -> schüfe

Nicht der Laut des Infinitivs (Grundform) erzwingt die Lautverschiebung, sondern der des Präteritums.
rufen – ruft – rief -> riefe
mögen – mag – mochte -> möchte
Das letzte Beispiel zeigt: Der Infinitiv / Grundform heißt mögen. Möchten ist kein Verb! In dem Satz ich möchte ein Brot ist also bereits ein Konjunktiv als Ausdruck von Höflichkeit enthalten – wie etwa auch hier: Ich hätte gern ein Brot.
brauchen zählt nicht zu den unregelmäßigen Verben. Deshalb bedarf es keiner Lautverschiebung:
brauchen – brauchte – gebraucht, also auch brauchte im Konjunktiv II.

Wer bräuchte sagt, tut nicht nur zuviel des Guten, sondern liegt falsch. Wer sagte schon räuchte, säuste, schäute, verträute? Die Lautverschiebung im Konjunktiv II gehorcht also einem exakten Vokalmuster, vorgegeben durch das Präteritum.
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https://web.archive.org/web/20090210051107/
http://www.institut1.de/601_Umlaute_eine_typisch_deutsche_Marotte.html

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