Archiv nach Monaten: Oktober 2021

Stammformen regelmäßiger und unregelmäßiger Verben

In den westeuropäischen Sprachen unterscheidet man zwischen starken und schwachen Verben. Während die schwachen Verben nach dem Wortstamm eine jeweils gleiche Silbe zur Kennzeichnung der grammatischen Zeit, des Tempus, ein- oder hinzufügen, geschieht dies bei starken und unregelmäßigen Verben durch unregelmäßige Buchstaben- und Silbenkombinationen. Weil die nach dem Wortstamm folgende Silbe über die Einordnung in regelmäßige oder unregelmäßige Verbformen Auskunft gibt, nennt man diese Muster Stammformen.

So gestalten sich die Verbformen regelmäßiger deutscher Verben durch Anfügen der Sibe -te nach dem Wortstamm zum Präteritum/Imperfekt und in Kombination von ge- vor und -t nach dem Wortstamm zum regelmäßig gebildeten Partizip Perfekt, z.B. deck-en, deck-te, ge-deck-t, koch-en, koch-te, gekoch-t, putz-en, putz-te, geputz-t. Bei Fremdwörtern aber fällt das ge- beim Partizip Perfekt weg: balanc-ieren, balancier-te, balancier-t (auf einer schmaler Linie gehen), lamentier-en, lamentier-te, lamentier-t (klagen, jammern), probier- en – probier-te, probier-t. (versuchen, kosten).

Unregelmäßige Verben verändern sich vor allem in ihrer Stammform, die das Imperfekt/ Präteritum und die entsprechende Konjunktivform – inklusive ihrer Umlautung im Konjunktiv II – kennzeichnet: gehen, ging – ginge; lassen, ließ – ließe; schlafen, schlief – schliefe; ringen, rang- – ränge; denken – dachte – dächte.

Neben der Unterscheidung zwischen schwachen und starken Verben differenziert man zwischen starken Verben, die einen geringen Veränderungsprozess erfahren haben und deshalb regelmäßigen Verben stärker ähneln z.B. kennen – kannte – gekannt, rennen – rannte – gerannt, und unregelmäßigen Verben, die einem gundlegenderen Veränderungsprozess unterlegen waren, also neben einer Vokaländerung auch Endsilben verändern ließen.

Diese Vokalverschiebungen laufen nach beschreib- und beobachtbaren, jedoch schwer durchschaubaren Mustern ab. Oft haben Reimwörter gleiche Muster. Offenbar sind oft gebrauchte Verben größeren Veränderungen durch Lautverschiebungen unterworfen, während etwa Fremdwörter unverändert bleiben. Das ist ein Zeugnis der sprachhistorischen Lebendigkeit unregelmäßiger Verben, weil sie durch häufigen und alltäglichen Gebrauch stärkeren Lautveränderungen und -verschiebungen unterworfen sind. Beispiele dafür sind: essen, schlafen, laufen, gehen, kommen, sehen, sterben, steigen, meiden, nehmen. All diese bezeichnen Tägkeitem, die sich durch ihre Alltäglichkeit auszeichnen.

Kausative Verben zeigen öfter dieses Muster vom aktiven Tun, der Ursache – causa – des angestrebten Zustands, das dem Ergebnis vorausgeht:
stellen – stellte – gestellt, stehen – stand – gestanden;
hängen – hängte – gehängt, hängen – hing – gehangen;
legen – legte – gelegt, liegen – lag – gelegen.
Umgekehrtes stellt man eher fest bei
setzen – stetzte – gesetzt, sitzen – saß – gesessen.
Dem eher aktiven auf-/wachen steht ein-/schlafen gegenüber.

Stammformen muß man lernen beim Erwerb einer neuen Sprache. Es ist hilfeich, zu wissen, dass es deutliche Parallelen gibt in verwandten Sprachen, weil sie ähnlichen Veränderungen, die sich aus den Lebensverhältnissen ergaben, unterlagen. Dies legt nahe, dass solche Prozesse kein Phänomen unserer Sprache ist.

Narrativ

Nach Diskurs und Konsens inflationiert ein Modewort, aus dem Feuilleton kommend, die Medien: das Narrativ. Narrativ ist ursprünglich ein Begriff aus der Literaturwissenschaft, wo eine Erzählung entweder für sich als literarische Form steht oder wo sie als Erzählform eine stringente Theorie bildhaft auflockert und nachvollziehbar macht.

Narrativ ist eigentlich ein englisches Lehnwort: narrative. Es ist abgeleitet aus dem Partizip Perfekt des lateinischen Verbs narrare, erzählen. Daraus entsteht narrativum, das als Adjektiv substantiviert wird: das Narrativ, das Erzählte, die Erzählung.

Erstaunlicherweise ist im Zuge des modischen Anstrichs von Narrativ auch der Begriff Ezählung in einem neu zu verstehenden Kontext üblich geworden. Er taucht inzischen fast immer da auf, wo man sich aus stilistischen Gründen in einem Text nicht wiederholen wollte. So hat sich für Erzählung als Synonym für Narrativ ein neues Verständnis eingebürgert. Das wirkt oft ungeschickt, weil Erzählung inhaltlich bereits durch den Begriff des Märchens gefüllt ist. Jedoch ist hier etwas anderes gemeint: Man will damit eher auf etwas Tradiertes, Überliefertes hinweisen als auf etwas im Reich des „Märchenhhaften“, des Landes der Zwerge und Feen, Angesiedeltes. Heute versteht man unter Narrativ ein gedankliches Gebäude, eine bestimmte, aber nicht die eigene Weltsicht, ein Weltverständnis, eine Interpretation oder Auslegung der Welt, wie sie Menschen begegnen mag.

In ähnlichem Kontext gebrauchte man vorher „Legende“, dem eigentlich eine ähnliche Bedeutung zugrunde liegt. Legende leitet sich aus dem lateinischen Gerundiv von legere, lesen, ab. Es bedeutet „das zu Lesende“ oder die „Erzählung“. Eine Legende bezog sich zunächst auf Heiligengeschichten, kurz und blumig zugleich, der Darstellngsweise in einem religiösen Abreißkalender vergleichbar. In heutiger Lesart entspricht sie eher dem neuen Begriff Narrativ. Beiden haftet nichts Verbürgtes oder Beweisbares an, sondern etwas mündlich Weitergegebenes.

Das Narrativ wird im gesellschaftswissenschaftlichen Kontext gebraucht, um zu verdeutlichen, dass es nicht um eine beliebige Erzählung geht, sondern um eine Verknüpfung, die bewirkt, dass das „bestimmende Element hinter einem Narrativ weniger der Wahrheitsgehalt“(1), als gemeinsam Erlebtes, Geteiltes und Verbindendes ist. Was daraus entstehen soll, ist eine Art Verbrüderung wie in einem Fußballstadion, ein Gemeinschaftsgefühl.

(1) https://de.wikipedia.org/wiki/Narrativ_(Sozialwissenschaften)

Grammatisches und natürliches Geschlecht

In der deutschen Grammatik gibt es Genera, Geschlechter. Das Genus, das grammatische Geschlecht, wird durch Artikelwörter oder stellvertretend durch Pronomen, also Wörter, die das Nomen vertreten, gekennzeichnet. Das Gegenteil von Genus ist Sexus, biologisches oder natürliches Geschlecht. Im Deutschen lauten die Artikel im Singular, der Einzahl, „der“, „die“ oder „das“ – oder „die“ im Plural, der Mehrzahl. Die romanischen Sprachen, die sich aus dem Latein der römischen Eroberer entwickelten, haben nur ein männliches oder weibliches Geschlecht, das Englische gar nur ein Geschlecht „the“, betrachtet man insbesondere das Artikelwort „he“, „she“ oder „it“. Erst bei Personalpronomen wird auch dem natürlichen Geschlecht Rechnung getragen.

Hier werden auch Unterschiede erkennbar, wenn das grammatische und natürliche Geschlecht ins Spiel kommen. Unter dem natürlichen Geschlecht versteht man das spezifisch durch die Biologie vorgegebene, wie man an den typischen Begriffen „der Mann“, „die Frau“ und – als noch unausgereift verstanden – „das Kind“ erkennt. Haben die romanischen Sprachen das Neutrum abgelegt, so hat das Englische stattdessen nur einen als neutral empfundenen Artikel – „the“ – für alle Geschlechter. Nur bei den Pronomen werden deutlichere Maßstäbe angelegt. So wird das natürliche Geschlecht eines Menschen und auch eines ihm nahe stehenden Tiers, mit einem geschlechtsspezifischen Pronomen gekennzeichnet. Neben perönlich bekannten Tieren fallen noch Schiffe ins Auge, die, wie im Deutschen, mit dem Personlpronomen „she“, „sie“, benannt werden.