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Namen – und wie man ihnen gerecht wird

Ich habe kürzlich einen Film gesehen. Da wollte jemand nicht beim Vornamen genannt werden. Die Hippie-Eltern hätten sich etwas so Unaussprechliches für ihr Kind damals ausgedacht, dass es dem Träger des Namens unausweichlich erschien, stattdessen seinen Nachnamen zum Rufnamen zu machen. Der Mann hieß Sörensen. Der – übrigens sehenswerte – Film hieß „Sörensen hat Angst“. (1)

Er hatte aber nicht wegen seines Namens Angst, sondern wegen einer Angststörung. Das hört sich ungewöhnlch an für einen Kriminalhauptkommissar. Er selbst ist auch ungewöhnlich. Bjarne Mädel, Regisseur und Hauptdarsteller, sieht etwas zerzaust aus mit sehr unkonventionellem Äußeren, ungeschnittenem, windzerzausten Haar und klapprigem Kombi. Aber das ganze Ambiente ist etwas zerzaust – vom Wind im Jahrsezeitenvakuum nahe der Nordsee und weil das Leben trostloser ist, als der stadtmüde Polizist sich das gemütvolle Landleben vorgestellt hat. Verregnete Landschaft, unzugängliche Menschen, unwirtliche Behausungen. Trostlose Kneipe mit Resopaltischen, ehemaliger Landgasthof. Höhepunkt der Trostlosigkeit ist ein abgehalfterter Kurdirektor, dem Alkohol verfallen. Nur mit Mühe erkennt man in ihm – vielleicht an der Brandt-Stimme – den Schauspieler, der sich ja ungern auf einen wiedererkennbaren Typus festlegt. Fluchtimpulse weckt auch der verwahrloste Bauernhof, zu dem die namenlose Kreatur des zugelaufenen Hundes gehört, wo eine mürrische und murrende – unsäglich an Körper und Seele zerzauste – Alte mit der Mistforke ein abschreckendes Regiment führt. Der Hund verzieht sich mit eingezogenem Schwanz vor seiner unflätigen Herrin. Vergeblich wünscht man sich, er möge doch zu seinem neuen Freund zurückkehren.

Meine Eltern haben sich mit meinem Namen etwas ausgedacht, das mich mein Leben lang begleiten sollte. Sie hatten an Kühnheit und Stärke gedacht: kriegerische Kämpferin. Nunja, das ist wirklich doppelt. Gunda, Kämpferin, oder Gundula, kleine Kämpferin, hätten schonenderweise auch genügt. Mein Vater hatte allerdings wenig Freude an meinem Kampfgeist, der sich meistens gegen ihn, den Vater, richtete. Wie hatte ich mir gewünscht, dass er in seiner ganzen Macht mal meinen Lehrern entgegengetreten wäre. Aber das war nur das Ressort meiner zartbesaiteten Mutter.

Ja, man will seinem Kind mit dem Namen etwas mit auf den Lebensweg geben. Namensgeber sind für die Eltern, Helden oder Tugenden, an die sich das Kind anlehnen und die ihm nach außen Geltung verschaffen sollen. Dass einem mehere Vornamen mitgegeben werden, hat den Vorteil, dass man eine gewisse Auswahl in Anspruch nehmen kann. Die fiel mir allerdings schwer. Die Wahl war auf Gunhild Gisela Irmgard gefallen. Meinen Schwestern ging es da nicht viel besser: Gerlind Gisela Hildegrad, Gisela Ingeborg Ottilie, Gertraut Ulrike Elfriede. Mit Ulrike lässt es sich ja noch leben, sagte sich schließlich die Jüngste. Aber das kostete en kleines Sümmchen beim Standesamt, bis es offiziell war.

(1)- (ARD-Mediahek oder https://www.daserste.de/unterhaltung/film/filmmittwoch-im-ersten/videos/soerensen-hat-angst-video-100.html).
– https://de.wikipedia.org/wiki/S%C3%B6rensen_hat_Angst

Kommunikation als Beitrag zur Evolution

Beim Zusammenfinden einer Gruppe sind Individuen auf Verständigung angewiesen. Das archaische Zusammenleben basiert auf einem verlässlichen Zusammenhalt, um das Überleben der Gruppe zu gewährleisten.

Die Überlebensstrategie, die sich zuerst auf Fütterung des Nachwuchses bezieht, wird durch Schlüsselreize ausgelöst. Diese Reize zur Futterversorgung – angefangen von orangeroter Markierung aufgesperrter Schnäbel bei Nestlingen von Vögeln bis zum Betteln von Säuglingen mit hochfrequentierten Tönen, die als unwiderstehliche Reize Milchfluss bewirken – sind mächtige vegetative Auslöser, die jenseits von bewussten Entscheidungen liegen.

Ein solches Reiz-Reaktionsschema bildet den Beginn von Kommunikation. Ihre Anfänge sind in der engen körperlichen Verbundenheit verwurzelt, wie in Gemeinschaften zu beobachten ist, die Brutpflege betreiben, um als Art erfolgreich zu sein. Eine sprachlich rudimentäre, aber gestisch und modulatorisch höher entwickelte Kommunikationsform besteht zwischen Mutter und Kind in der ersten Lebensphase – eine Verständigung, die sich beim Menschen bereits in der Schwangerschaft entwickelt. Mutter und Kind nehmen einander dabei in allen Lebensäußerungen wahr. Hormone, speziell auf die kindlichen Bedürfnisse abgestimmte Botenstoffe, und Pheromone, Duftstoffe, die unterhalb einer bewussten Wahrnehmung agieren, determieren das Verhalten von Mutter und Säugling. Dadurch verstärkt sich die Bindung zwischen Mutter und Kind, sobald die Nabelschnur durchtrennt und das neue Menschenkind der Welt ausgesetzt ist. Um diesen neuerlichen Anforderungen gewachsen zu sein, braucht der Säugling zunächst die Kommunikation mit der Mutter, die säugt, (den Hunger) stillt; sie macht das Kind still. Die Mutter befindet sich in nahezu permanenter Bereitschaft, ihr Negueborenes zu umsorgen. Diese Sorge ist für das heranwachsende Leben, aber in letzter Konsequenz für die in gleichem Maße alternde soziale Gemeinschaft, in die das Kind hineingeboren wird und in die es hineinwächst, ein Überlebensdiktat. Dieses ist im Sozialstaat verblasst, weil große Lebensgemeinschaften, in denen Alt und Jung füreinander einstehen, der Vergangenheit angehören.

Kaum dem „Traglings“-Alter entwachsen, musste das heranwachsende Mitglied mit der Gruppe laufen. Dabei wurde es nach und nach in die lebensnotwendigen Kenntnisse, Fertigkeiten und Techniken eingeführt, die in den jeweilgen Gesellschaften erforderlich sind. Dieses Lernen basiert auf der Kommunikation, die zuerst zwischen Mutter und Kind angelegt, in der Familie weiterentwickelt und in der gesellschaftlichen Gruppe in Richtung der jeweilgen Bedürfnisse und Begabungen vervollkommnet wird mit dem Ziel, ein brauchbares Mitglied der Gesellschaft heranzubilden.

Was sich hier im Kleinen vollzieht, ist auf die weiterentwickelte Gesellschaft übertragbar. Der Mensch als gesellschaftlches Wesen ist auf Akzeptanz und Verständigung in seiner Gruppe angewiesen. In diesem Mikrokosmos erfährt und lernt er, was lebensnotwendige Normen bedeuten – was richtig und angemessen, was falsch und verfehlt ist. Diese Normen, Maßstäbe und Vorschriften vermittelt die gesellschaftliche Gruppe, die ihn umgibt und schützt, solange er ihre Regeln beachtet. Dagegen straft sie ihn, wenn er gegen ihre Normen verstößt, weil die Gesellschaft dadurch Schaden nimmt. Diesen gesellschaftlichen Normen bleibt er im Heranwachsen verpflichtet, um sie später als die Grundlage sozialen Zusammenlebens an seine Nachkommen weiterzugeben.

Alle diese Normen bedürfen mit zunehmend komplexeren Inhalten des Zusamemnlebens einer Revision der Vereinbarungen. Das führt zu differenzierterer Sprache. Sprache ist das Mittel der Kommunikation, des Sprachkontakts zwischen Individuen, die sich in erlernten Sprachmustern verständigen. Sprache bot zunächst kaum Spielraum zur Selbstentfaltung. Sie wird erst mit zunehmender Kultur bewirkt, die durch mehr Freizeit ermöglicht wird. Weniger Arbeitsdruck durch steigende Effektivität in der Gruppe erzeugt auch einen liberaleren Umgang miteinander. Diese Liberalität lässt andere Tätikeiten zu als die, die das bloße Überleben sichern. Dadurch lösen liberalere Einstellungen zur Erziehung autoritär geprägte Methoden ab. Sie werden als überholt empfunden und weitgehend verworfen. Indem sich die Gesellschaft durch Arbeitsteilung neu schichtet, ensteht ein anderes Sozialgefüge, dessen Schichten sich durch Sprache, Auftreten und Mode voneinander abzuheben suchen. Daneben entsteht auch ein neues Wertesystem. All dies bildet Sprache ab, indem sie Kommunikationsformen ermöglicht, die gesellschaftliche Entwicklungen widerspiegeln.

Entwicklungen und Verwicklungen im Zweitspracherwerb

Vater mit Kind und dem Bild der Mutter

Vater mit Kind und dem Bild der Mutter
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Vater, Mutter und Kind sind Bezeichnungen, die Einordnung und Rang in der Familie kennzeichnen. Das Prinzip familiärer Organisation beruht auf emotionaler Zugewandtheit und verlässlicher Präsenz, auf Arbeitsteilung und Verantwortung füreinander. Die gesellschaftliche Umgebung, in der ein Kind aufwächst und sich entfaltet, umgeben von einer Großfamilie, bestehend aus Großeltern, Onkeln und Tanten, Cousins und Cousinen, hat sich grundlegend verändert; die gesellschaftliche Rolle der Familie ist neu definiert. Die Kleinfamilie hat sich den Erfordernissen der modernen Gesellschaft angepasst.

Inzwischen liegen Erziehung und Bildung zunehmend in außerfamiliären Händen. Doch das wird nicht nur als Fortschritt empfunden. Die Befürchtung vieler Eltern, das Heranwachsen ihres Kindes kaum noch verfolgen und gestalten zu können, sich dem Kind zu entfremden, das kann sich unüberschaubar verstärken, wenn kulturelle Hürden gepaart mit Sprachbarrieren die Transparenz pädagogischer Intentionen behindern.

Dem zunehmend solitär lebenden Menschen der postmodernen Industriegesellschaft sind viele soziale Fähigkeiten abhanden gekommen. Dieser Prozess der Vereinzelung, mit dem ein verantwortungsbereites Sozialgefüge kaum mehr verbunden ist, traf besonders außereuropäische Arbeitsmigranten in ihren Grundfesten, weil sie, abrupt aus bäuerlich organisierten Familienverbänden gerissen, auf eine fremde, ganz anders strukturierte Gesellschaft trafen. Dieser Verlust eines familiären Zusammenhalts traf sie deshalb so spürbar, weil die religiös begründeten, patriarchalischen Gesetze in Frage gestellt wurden, die ihre Werte und ihren Glauben begründeten. Das Mutterland war fern und der Fernsprecher teuer.

Die Verwerfungen, die der Anpassungsdruck und die Abgeschiedenheit von der Heimat mit sich brachten, bewirkten einen Realitätsverlust, der sie daran hinderte, die dortigen wie hiesigen gesellschaftlichen Entwicklungen nachzuvollziehen. Diese gebrochene Sicht betraf auch die nachgeholte Familie. Sie ließ elterliches Traditionsbewusstsein und kindliche Neugier aufeinanderprallen, ein Konflikt, der unbeherrschbar wurde, wenn sich Sprachebene und Wortschatz der Generationen einander entfremdeten. Dieser Riss ging bis in die Community selbst, die sich als Bewahrer heimatlicher Werte verstand. Der wechselvolle Einfluss auf die Väter und die heranwachsenden Söhne vollzog sich auch in Freizeiteinrichtungen wie Kulturvereinen, die in vertrauter Atmosphäre ihren Besuchern Zerstreuung, Unterhaltung und Meinungsaustausch bei Treffen und Versammlungen in der Muttersprache boten. Kulturvereine betrachten sich als Vermittler zwischen kulturellen Gegensätzen zu dem Gastland Deutschland. Sie wollen auch für Kinder, Jugendliche und Frauen unterhaltsame, sowohl erneuernde als auch traditionelle Angebote wie Volkstanz und Sprachkurse anbieten.

Namen sind grundlegend für sprachliche Kommunikation in menschlichen Beziehungen. Sie sind das Abbild einer Gruppenstruktur wie der der Familie. Ein Grundbedürfnis nach sprachlicher Kommunikation ist die Anrede, also der Name der Bezugspersonen. Im Namen bildet sich der soziale Bezug ab, die Verwandtschaftsbeziehung, die den sozialen Rang widerspiegelt. So ist in orientalisch geprägten Kulturen das Ansehen und die Autorität männlicher Familienmitglieder umso höher, je älter sie sind. Das älteste unter den Geschwistern wird nicht mit Namen, sondern wie Vater, Onkel, Großvater, die eine natürliche Autorität haben, mit seinem familiären Titel genannt. Diese Struktur ist noch lebendig in der traditionellen türkischen Familie, wo die ältesten Geschwister „Großer Bruder, abi“ oder „Große Schwester, abla“ genannt werden. Diese ehrerbietige Anrede kennzeichnet den Status in der Familienhierarchie.

Noch in den 70er Jahren kam die Mutter eines türkischen Kindes zu einer schulischen Veranstaltung nicht ohne die Begleitung eines möglichst höherrangigen männlichen Mitglieds der Familie. Dieser Vertreter war der Ansprechpartner, der der Mutter alle sprachlichen Inhalte vermittelte, und er war gleichzeitig ihre Stimme. Eine Frau, der man männliche Begleitung zu versagen schien, schadete dem Ruf der Familie. Umgekehrt fühlten sich Frauen in männlicher Begleitung sicherer, bewacht und beschützt, wenn sie in offiziellen Angelegenheiten außerhalb des Hauses zu tun hatten. Der Begleitschutz war gleichzeitig eine Form von Wertschätzung nach den Maßstäben der frühen türkischen Subgesellschaft in Deutschland.

Inzwischen haben sich die gesellschaftlichen Verhältnisse geändert, in der Türkei selbst und in der türkischen Community, die sich teilweise schneller – freudiger und erleichtert – teilweise aber auch langsamer und schwerfälliger anpasst. Rückkehrer haben es so – oder so – schwer, weil Zweisprachigkeit nicht unbedingt auf der sprachlichen Höhe der Zeit zu sein bedeutet und weil man in beiden Heimatländern keinen eindeutigen, soliden Status hat.

Kommunikation und Grammatik

Heinrich Ehring - Kommunikation

Heinrich Ehring – Kommunikation
photo: Andreas-Michael Velten, artwork: Heinrich Ehring
Lizenz: Attribution-ShareAlike 4.0 International (CC BY-SA 4.0)

Im Indogermanischen, dem etymologischen Urgrund der meisten europäischen Sprachen, bedeutet die Zahl drei tri. Das ist nur ein Beispiel für das Grundmuster, das diese Verwandtschaft durchzieht. Dabei stößt man auf ähnliche Anfangskonsonanten, t oder d, gefolgt von einem allen gemeinsanmen r und einem nachfolgenden Vokal, der zwischen ia, i, e, ei und oa changiert. Das wird dann jeweils zu tri, tria, tres, tre, trois, drei, three.

Das Bestimmen von Mengen wie 1, 2 oder 3 sowie die Bezeichnung des engsten Beziehungskreises wie ich und du, Vater und Mutter, Kind und Baby, Bruder und Schwester, Freund und Feind waren die ersten Begriffe, die versprachlicht wurden. Auch Vieh und Haustiere, Lebenswichtiges wie Feuer, Wasser und Salz, Geräte von Pflug bis Topf, Waffen von Messer bis Lanze oder gefährliche Tiere von Bär bis Löwe – all das sollte einen Namen haben, um es der Verständigung zu erschließen.

Der Auftrag eines Wortes ist, die spezifische Information, die seine grammatisch festglegte Form birgt, so weiterzugeben, dass der Empfänger der Nachricht zweifelsfrei unterrichtet wird. Grammatik hat also zum Ziel, eine Ansammlung von Wörtern sinnvoll miteinander zu verknüpfen, indem sie durch Endungen abgewandelt und sprachgerecht positioniert werden. Andernfalls hätte man es mit einem Konglomerat von Wörtern zu tun, denen man keine Information entnehmen könnte.

Die Entwicklung von Sprache erlaubte einer Gruppe von Jägern, körperlich überlegenen Tieren nachzustellen, weil sie ihr arbeitsteiliges Vorgehen sprachlich umsetzen konnten. Sie erlaubte Sammlern, sich über Wege, Gefahren und Fundorte zu verständigen. In Phasen des Sesshaftwerdens erlaubte sie den anderen, die Haus, Garten und Feld bestellten, sich nach Kräften und Erfahrung zu organsieren.

Sprache ist also ein Instrument der Kommunikation. Je höher entwickelt eine soziale Art ist, desto vielfältiger ist ihr sprachlicher Ausdruck, desto stärker wird das Bedürfnis nach einer zuordnenden Grammatik. Triebfeder sprachlicher Kommunikation war, dass Individuen einen überlebensnotwendigen Zusammenhalt suchten und eine differenzierte lautliche Verständigung für gemeinamsame Projekte unabdingbar wurde. Am Ende bedurfte das anfängliche Gemenge inhaltlich tragender Worte und Begriffe einer Struktur, um Beziehungen zwischen Personen, Zeiten, Orten und Verhältnissen zu beschreiben. Zunehmend komplexe Inhalte machten eine ordnende Satzstruktur notwendig und führten zu einer Differenzierungen in Satzbau und Bezehungen im Satz.

Das ist Gegenstand von Syntax und Morphologie.

Syntax , aus altgriechisch σύνταξις syntaxis, setzt sich zusammen aus σύν syn‚ zusammen, und τάξις taxis‚ Ordnung. Die Grammatik versteht darunter die Satzordnung, die Personen, Tätigkiten und Objekte, zueinander in Beziehung setzt. Syntax bedeutet also Satzstruktur, Satzbau..

Ihr gegenüber steht die Morphologie, aus griech μορφολογία. Darin erkennt man μορφή morphé, Form und λόγος, lógos, Wort. Aufgabe der Morphologie ist es, durch Einsatz von Endsilben, Ab- und Umlautungen, die Tempus- und Modus-Beziehungen zwischen den handelnden Personen zu untersuchen. Morphologie bezeichnet also die Veränderung infniter, unbeendeter, Formen. Sie beschreibt Wortveränderungen, die Bezüge verdeutlichen wie Personalendungen von Verben, Kasusendungen von Substantiven, Adjektiven und Partzipien.

Syntax und Morphologie sind also eng miteinander verknüpft. Sie verzahnen grammatische Personen, Zeiten und Handlungen. Sie machen eine Aussage über den Modus, ob sich das Geschehen in der Realität, dem Indikativ, oder im Konjunktiv, dem wiedergebenden oder irrealen Zusammenhang, abspielt und ob es sich um Wunsch oder Wirklichkeit handelt. Zum anderen gibt das Genus verbi, Auskunft darüber, ob das Geschehen aktiv herbeigeführt, im Aktiv steht, oder sich passivisch ereignet, im Passiv, abspielt. Im Imperativ schließlich wird eine Person zum Objekt eines Aufrufs. All das zeigt sich in der Morphologie, die den syntaktischen Strukturen innewohnt.

Syntax und Morphologie sind es, die aus Wörtern einen Satz machen, dem eine Information zu entnehmen ist. Weil sie sinngebend sind, bewirken sie sinnerfassendes Hören und Lesen. Verstehen ergibt sich erst aus einem ordnenden Zusammenhang und aus einer zusammenhängenden Ordnung.

„Das Täublein fleucht aus seiner Gruft …“ – Tauben, die Überlebenskünstler

Kopulierende Ringeltauben

Kopulierende Ringeltauben – Bild: 4028mdk09 – Lizenz: Creative Commons

Stadttauben erscheinen uns trotz ihres schillernden Federkleides nicht gerade als die ansehnlichsten Vögel. Früher hatten diese Rolle die Spatzen, die man oft „Dreckspatzen“ nannte, weil die harmlosen Finken ihre Nahrung in der Nähe menschlichen Konsums fanden.

Spatzen sind selten geworden. Sie erscheinen wie ein Relikt der 50er und 60er Jahre. Manchmal noch tschilpen sie unermüdlich in dichtem Buschwerk – in der Nähe eines kuchenkrümelreichen Cafés, wo sie sich sogar noch sprichwörtlich frech bis an den Tellerrand vorwagen.

Tauben waren damals noch in Taubenschlägen zu Hause. Taubenzüchter überboten einander bei der Zucht besonders dekorativer oder ausnehnmend intelligenter Exemplare, die bei Brieftaubenwettbewerben verschickt wurden und ihren Heimweg instinktiv finden mußten. Das Interesse an diesem Sport ist verloren gegnagen. Taubenschläge gehören der Verangenheit an. Die Tauben, die uns jetzt begegnen, sind verwilderte Felsentauben, Stadttauben. Die anderen, schwereren und an ihrem weißen Halsring erkennbaren sind Ringeltauben, ehemals Waldtauben.

Beide Arten sind zu Kulturfolgern geworden, also Tieren, die sich menschlichen Lebensgewohnheiten angepasst und in dieser Lebensgemeinschaft optimale Überlebensstrategien entwickelt haben. Wohnblocks sind für sie Felsen, Balkone und Mauernischen sind Brutplätze für ohnedies kurze Lebensphasen.

Während Waldtauben ihr Revier auf ungestörte Hintergärten mit Baumbeständen aus unempfindlichen, der Stadtluft trotzenden Alleebäumen verlegt haben, haben die ehedem in Felsspalten brütenden Felsentauben als Stadttauben eine neue Existenzgrundlage gefunden.

So findet man Stadttauben in belebten Gegenden, die für ihre Nahrungssuche vielversprechend sind. Sie sind gelehrige Vögel, die optisch und akustisch fein wahrnehmen. Erst im letzten Moment lassen sie gelassen von ihren Fundstücken ab, bevor sie von einem Auto erfasst würden. Sieht man sie in perfekter Formation aufbrechen, fliegen, wenden oder landen, drängt sich die Frage auf, wie eine Verständigung über diese Gegebenheiten wohl zustande komme. Sie haben offenbar Verständigungsformen, eine Art Schwarmintelligenz, in ihren Gruppen entwickelt, die in Zeiten zurückreichen, die sich unserer Beobachtung entziehen. Wer gibt das Ziel vor, wie wird eine Wendung des Schwarms veranlasst, wie lässt sich ein idealer Gruppenlandeplatz bestimmen, wie werden Jungvögel in dieses komplizierte Geflecht einbezogen?

Vielen Balkonbesitzern ist es lästig, ihre Balkons mit gurrenden, werbenden Tauben zu teilen: Exkrementen, Geräuschen, gar Nestern versucht man durch Netze, flatternde Aluminiumgirlanden, glitzernde Glühbirnen oder vogelscheuchenähnlichen Raben auf Geländern zu begegnen. Eine neue Methode sind dornenbesetzte KLebestreifen, die ihnen eine Landung verwehren. Die Tauben aber sind gelehrig und finden Wege, das menschliche Terrain trotzdem zu erobern.

Dazu braucht es nicht viel, denn sie sind genügsam. Ihr Nest besteht nur aus wenigen, kaum als solches erkennbaren Zweigen. Diese unwirtliche Umgebung genügt für eine kurze Kinderstube, der schon bald eine neue folgen wird. Im Gegensatz zu den meisten brütenden oder Brutpflege treibenden Tieren, sind Taubenküken wenig ansprechend und Beschützerinstinkte erweckend – hervorquellende Augen und nackt bis auf einige Federstummel lassen sie wie ein gerupftes Huhn aussehen. Trotzdem werden sie so gut versorgt, dass sie sich binnen kurzem gefiedert und flügge den Clans der Erwachsenen anschließen – in einer Welt, die nicht mal ihre eigene, sondern eine aus Elementen fremder – menschlicher – Existenz neuerschlossene ist.

Welches Überlebensgen macht sie so erfolgreich?

Wichtig ist wohl in erster Linie ihre Anpassungsfähigkeit, die eine große Zahl von Aufenthaltsorten und Nistplätzen bereithält, ihre fast beliebigen Futterquellen, die sie zu städtischen Allesfressern werden ließ, und ihre bescheidenen Ansprüche an die Ausstattung ihrer Gelege.

Hinzu kommt eine Besonderheit, die sie von anderen Vögeln abhebt und fast in die Nähe von vergleichsweise hochentwickelten Säugetieren rückt, deren Muttermilch die Jungen eine Zeitlang gegen Krankheiten schützt, indem sie eine optimale – verträgliche, abwehrstärkende, umweltgiftarme – Versorgung gewährleistet.

Tauben verfügen in einer Halsfalte über eine Drüse, die dieses Lebenselixier bereithält. Mit dem Schnabel von der Mutter daraus entnommen, wird es den Küken in den aufgesperrten Rachen injiziert. Vielleicht ist dieser Entwicklungsvorsprung das Geheimnis ihrer Überlebensfähigkeit bei ihrem kurzen Weg ins Erwachsensein.

Roms Wurzeln im Griechenland der Antike

Die antiken Städte Latiums, die zusammen die Lateinische Liga bildeten

Die antiken Städte Latiums, die zusammen die Lateinische Liga bildeten – Autor: Cassius Ahenobarbus – Lizenz: Creative Commons

Die lateinische Sprache war ursprünglich die Sprache eines italischen Volksstamms, der Latiner, die nach der Region Latium, deren Zentrum Rom war, benannt war. Lateinisch ist dennoch weniger eine italische als eine Hochsprache, der griechische Wurzeln zugrunde liegen. Aus der Geschichte Roms lassen sich diese sprachlichen, politischen und kulturellen Bindungen und Zusammenhänge herleiten.

Im Gegensatz zu den italischen Völkern waren die Römer Migranten, Eindringlinge aus Griechenland in Italien. Italien ist von Griechenland aus auf dem Seewege leicht erreichbar. Der in nächster Nähe zu Griechenland liegende ostitalische Hafen Brundisium, das heutige kalabrische Brindisi, war zunächst für die Griechen der damaligen Welt Anlaufpunkt, wie später für die Römer Ausgangspunkt, um Griechenland und Italien schnellstwegig zu verbinden.

Der Sage nach landete der aus Troja geflüchtete Held Aeneas mit Vater und Sohn an der Westküste Italiens, im Latium, dem Siedlungsland der Latiner. Er wurde zum Gründungsvater Roms. Auch Odysseus, ein griechischer Held, der, aus dem zerstörten Troja entkommen, mit einigen Getreuen auf der Suche nach heimatlichen Gewässern das Mittelmeer durchkreuzte, kam an der weit ins das Binnenmeer ragenden Halbinsel Italien nicht vorbei. An der Küste Italiens erlebten Odysseus und sein Gefolge Abenteuer zwischen Leben und Tod, die erst durch die Klugheit und Erfahrung des listenreichen Helden einen glimpflichen Ausgang fanden. Hier stießen sie auf die bezaubernde Kirke, die die Gefährten des Odysseus so zu bezirzen vermochte, dass sie allen lebensbedrohenden Umständen zum Trotz die Insel des Schreckens nicht verlassen wollten. Hier fielen sie fast den Sirenen zm Opfer, die loreleyhaft die Schiffer in den Tod zwischen gefährlichen Klippen lockten. Hier vergriffen sie sich an den heiligen Rinderherden des Sonnengottes, der ihnen fortan feindlich gesinnt war. Hier entgingen sie nur knapp dem einäugigen Hirten Polyphem, den Odysseus mit einem Holzspeer geblendet hatte. Der Menschenfresser war ein Sohn Poseidons, dessen Zorn die entwurzelten Seefahrer fortan gnadenlos verfolgte. Auch die wildbewegte Meerenge zwischen Sizilien und der italischen Halbinsel, die erfahrene Seeleute schon immer wegen ihrer nautischen Unwägbarkeiten mieden, blieb den Heimatsuchenden nicht erspart. Sie beherbergte die alles verschlingenden Seeungeheuer Skylla und Charybdis, denen Odysseus nur unter dem Verlust vieler Getreuer entkam.

Griechische Heldenfiguren des Klasssichen Altertums, deren Protagonist Odysseus war, wurden zwischen widerstreitenden Mächten hin und her geworfen, die von leidenchaftlichen Göttern repräsentiert wurden. Denn auch die Götter des Olymp standen sich untereinander in imnmerwährender Fehde oder treuer Verbundenheit gegenüber, wofür sie die Irdischen entweder unter ihr Patronat stellten oder sie erbittert verfolgten: Odysseus hatte die Zeus-Tochter Pallas Athene zur Seite, während ihn der Meeresgott Poseidon mit Macht bedrängte. Gab die dem Kopfe des mächtigen Göttervaters Zeus entsprungene Athene dem heldenhaften Irrfahrenden ideenreiche Intelligenz ein, so bedrohte ihn der Beherrscher der Meere mit ungezähmter Wut.

Die italische Halbinsel liegt als Überbleibsel eines vulkanischen Gebirgsrückens ferner Erdepochen inmitten einer vorzeitlichen Ebene, dem heutigen Mittelmeer. So langgestreckt wie die Halbinsel in das Mittelmeer ragt – von den Alpen bis in die Sichtweite Nordafrikas – beherbergte sie eine Vielzahl höchst unterschiedlicher Volksstämme. Während Sizilien zur Blütezeit der griechischen Antike eine nahegelegene Kolonie war, also von Griechen besiedelt und landwirtschaftlich zum Korn-, Oliven- und Weinanbau genutzt wurde ,- davon zeugt auch der römische Name „Magna Graecia“ -, ist Norditalien zunächst für Rom nur eine von Kelten bewohnte gallische Provinz, „Gallia cisalpina„, die neben dem heutigen Oberitalien Venetien und Ligurien, sowie die Provinzen Toscana, Emilia Romagnia und Umbrien einschloss.

Als Rom zur Weltmacht seiner Zeit aufgestiegen war, betrachteten sich die Römer als angestammte Herren des Mittelmeeres und gaben ihm stolz den Namen „mare nostrum„, unser Meer. Hervorgegangen aus griechischer Kultur und Geschichte, die sich einerseits aus mythologischen Irrfahrten und andererseits aus kulturellen und kolonialen Vermischungen und räumlicher Nähe speiste, zeigt sich auch in der lateinischen Sprache eine deutliche Bezogenheit auf die griechische. Gerade die begriffliche Abbildbarkeit von Rhetorik, daneben besonders Philosophie, Religion, Poetik, Architektur und Kunst sind vom Griechischen geprägt. So ist das olympische Göttersystem des offiziellen klassischen Roms von den Griechen übernommen und mit römischen Namen versehen worden. Dagegen sind die weniger bedeutsamen Gottheiten, die Hausgötter, die mit Hausaltären versehenen Penaten, die der familiären Privatheit ihren Segen gaben, und Gottheiten traditioneller altrömischer Feste, neben den griechisch-olympischen erhalten geblieben. Gegenüber den bildungsnahen griechischen Überlieferungen bediente man sich im Alltäglichen, Familiären und Militärischen einer nüchternen Sprache. Das wird besonders deutlich an den Namen, die oft eine Abbildung der familiären Herkunft, sogar oft nur eine Nummerierung in der Geschwisterfolge sind.

Rom war eine Sklavenhaltergesellschaft. Militärische Erfolge wurden von den Männern errungen. Damit die Arbeit zu Hause erfüllt werden konnte, war Sklavenarbeit unerlässlich. Auch in der Kriegsführung wurden Sklaven eingesetzt, etwa als Galeerensklaven, die festgekettet waren, um sie kontrollierbar zu machen.

Sklaven aus dem gebildeten Griechenland waren qualifizierte Haushalter – „Philostratos, des Hauses redlicher Hüter“, der treue Haushalter, den Schiller seinen Herrn warnen lässt umzukehren,bevor ihn das grausame Urteil der Kreuzigung erreichte, – griechische Intellektuelle waren die Hauslehrer begüterter Römer, zuständig für die klassische Bildung der Söhne, die sich erst im Alter von etwa 10 Jahren den intellektuellen Wegen der Väter anschlossen. Söhne schlichterer Abstammung folgten ihren Vätern dagegen als Lehrlinge des Kriegshandwerks im Tross auf ausgedehnten Eroberungszügen.

Mit dem Aufstieg Roms zur Weltmacht und zum Beherrscher des Mittelmeers verloren auch die früheren kulturellen und politischen Zentren wie Athen, Alexandria und Carthago an Bedeutung. Die lateinische Sprache wurde Kirchensprache und lingua franca, der Weltsprache früherer weitgereister Kaufleute, während Griechisch nur noch für die neutestamentarische christliche Theologie von Bedeutung blieb.

Die griechische Schrift unterscheidet sich im formalen Buchstabenbestand und deren Aussprache von der römischen, die als lateinische Schrift im sich formenden Europa und damit bis in die Neue Welt, Amerika, Weltgeltung errang. Der Name der römischen Sprache war Lateinisch.

Dieser Name leitet sich ab von Latium, jener flachen, sumpfigen und seenreichen, zugleich fruchtbaren Landschaft südlich von Rom. Latium bedeutet „das Weite, Ausgebreitete“, aus latus, ‚weit, breit‘ Die Ureinwohner nannten sich Latiner. Das Latium ist die Landschaft mit dem späteren Zentrum Rom. Hier an der Tibermündung nahe dem Hafen Ostia ließen sich die griechischen Migranten nieder, von dort breiteten sie sich aus, indem sie sich mit den italischen Stämmen vermischten, wie es die Sage vom Raub der Sabinerinnen schildert, die den Frauenmangel der Einwanderer illustriert.

So brachten griechische Migranten und Kolonisatoren Grundzüge ihrer Sprache – besonders der Grammatik und der Elemente der Bildungssprache – nach Rom, während Anteile der Sprachen, die von den italischen Ureinwohnern gesprochen wurden, die Alltagssprache in Haus, Handwerk und Militär bestimmten.

Gendern oder generisches Maskulinum?

Das Römische Weltreich um die Mitte des 2. Jahrhunderts n. Chr.

Das Römische Weltreich um die Mitte des 2. Jahrhunderts n. Chr. – Quelle: Meyers Konversations-Lexikon – public domain

Gerade das Englische spiegelt in seinem großen Bestand an Lehn- und Fremdwörtern den kulturellen Einfluss der römischen Vorherrschaft in Europa wider. Das hat sich auf die englische Hochsprache ausgewirkt, während die Alltagssprache durch sächsische Sprachelemente gekennzeichnet war. Später war die Nähe zu den nordfranzösischen Normannen, die England auch kulturell und politisch nahestanden, prägend. Deshalb gibt es im Englischen so viele Wörter, die dem Lateinischen und sogar dem Griechischen entlehnt sind.

to gender“ ist das englische Verb, das gendern zugrunde liegt. Es bedeutet, ein personenbezogenes maskulines Wort mit einer femininen Nachsilbe zu versehen, um es als Femininum explizit zu kennzeichnen. Es kommt aus dem Lateinischen. Darin enthalten ist zunächst gens, Volksstamm, schließlich genus, Geschlecht, Herkunft.

Auch im Deutschen gibt es Fremdwörter, die darauf Bezug nehmen: z. B. Genus – grammatisches Geschlecht, Gen – Erbgutträger, generisch – beide Geschlechter umfassend, weiter von Generikum – dem Original vergleichbares Medikament, bis Gentrifizierung – Aufwertung und Verteuerung eines Stadtteils. Das darin enthaltene Wort gentry, niederer Adel, ist von dem altfranzösischen genterie, Adel, abgeleitet.

Heute gendert man, um eine Zurücksetzung von Frauen auszuschließen. Verstand man früher unter einem Wort mit männlicher Nachsilbe, z. B. der Einwohner, dessen männliches grammatisches Geschlecht, durch die Nachsilbe -er gekennzeichnet war, sowohl männliche als auch weibliche Menschen, so sieht man heute die Notwendigkeit zu differenzieren, um Frauen nicht hinter Männern zurückzusetzen. Die Verständigung darüber betrifft nur das grammatische, nicht aber das sexuelle Geschlecht. Das generische Maskulinum beansprucht, beide Geschlechter zu umfassen, während ihm neuerdings unterstellt wird, Frauen nur mitzumeinen . Aus diesem Missverständnis hat sich das Verständnis einer Herabsetzung von Frauen ergeben. Deshalb spricht man heutzutage ‚gendergerecht‘ von Einwohnerinnen und Einwohnern, Einwohnenden, EinwohnerInnen oder Einwohner*innen, oder gendergerecht gesprochen Einwohner_Innen. Auf diese Weise wird das ursprünglich wertfrei gebrauchte grammatische Geschlecht zum sexuellen Geschlecht umgedeutet. Dadurch erst entsteht eine Belastung, die dem unvoreingenommenen Sprecher aufgebürdet wird. Um nicht als frauenfeindlich zu gelten, unterwirft er sich grammatisch und semantisch fragwürdigen Regeln.

Im Indogermanischen, dem Urspung vieler europäischer Sprachen, ist es üblich, keinen grammatischen Unterschied zwischen männlichen und weiblichen Wesen zu machen. Die Trennungslinie verlief also nur zwischen Lebewesen und Dingen. Im Lateinischen, das dem Griechischen nahe verwandt ist, ist das daran erkennbar, dass Wörter, die auf -s endeten, sowohl männliche als auch weibliche Bedeutung haben konnten. Erst als im späten Indogermanischen, als das -a als weibliche Genusmarkierung entstand, konnte man durch ein adjektivisches Attribut Geschlechtsunterschiede verdeutlichen: dux bonus versus dux bona. Ähnlich mag es sich mit rex, König, verhalten haben, bevor regina – Königin, mit der Zunahme internationaler Politik Roms notwendig wurde. Denn in Rom bestimmten Männer Politik und Militär. Mit zweiendigen Adjektiven und Präsenspartzipien, die der gemischten Deklination folgen, verhält es sich ähnlich. Unterschieden wird nur das sächliche Geschlecht.

Dagegen soll jedes maskuline Wort im Deutschen, mit einer femininen Endung versehen, zu einer Differenzierung in Männer und Frauen führen. Diese Sichtweise sieht es nicht als selbstverständlich an, dass die Mitglieder eines Gemeinwesens aus Männern und Frauen, also aus Mitgliedern beiderlei Geschlechts, bestehen. Sie beansprucht eine bewusste Nennung femininer Begriffe neben den maskulinen.

Sprache ist eigen, dass sie, statt etwas mitzumeinen, die kürzere Form als Standardgenus verwendet. Das nennt man fachsprachlich Ikonisierung und bedeutet übergreifendes Zeichen oder Kürzel, eine Art icon, Symbolbild oder Piktogramm. Das Wort ist aus dem Griechischen entlehnt, wo εἰκών Bild heißt. In diesem Sinne ist unter Ikoniserung zu verstehen, dass ein männliches – naturgemäß kürzeres – Wort als Verbildlichung der ihm entlehnten weiteren Genera fungiert. (1)

Heute versucht man, feminine Mitgemeintheiten durch sprachliche Neuschöpfungen zu ersetzen. Üblicherweise spricht man demgemäß also in offiziellen Zusammenhängen von Richterinnen und Richtern oder von Richter*innen, von RichterInnen oder Richtenden. Abgesehen davon, dass die Lesefreundlichkeit und der gute Stil dafür geopfert werden, ist zu spüren, dass -innen und entsprechende Zeichen bereits zu Automatismen geführt haben, denen bisweilen widersinnige Wortbildungen entspringen. Das übernimmt man neuerdings im Mündlichen, um deutlich zu machen, dass man das weibliche Geschlecht mitbezeichnet, indem das beim Sprechen durch eine kleine Pause angedeutet wird: Das klingt etwa wie „Lehrer…Innen“. Differenziert wird dann allerdings im moralischen Kontext: Geht es um Vergewaltigung oder Raub und Mord, verzichtet man eher auf das Gendern.

Als ähnlich angestrengt erscheint es, wenn Indefinitpronomen – „der andere und die andere“, „keiner und keine“ oder „jeder und jede“ – dem erzwungenen Gendern zum Opfer fallen. Indefinitpronomen sagt ja bereits aus, dass die Person (2) nicht genauer bezeichnet werden muss.

Im Mittel- und Althochdeutschen war das Indefinitpronomen man eine Bezeichnung für ein denkendes und aufrecht gehendes Wesen. Es differenzierte also nicht zwischen Frau und Mann. Aus dem Substantiv Mann, männlicher Mensch, scheint sich das Indefinitpronomen man abzuleiten, und es ist ersichtlich, dass sein Bedeutungsursprung „denkendes, aufrecht gehendes Wesen“ nicht geschlechtsdifferenzierend ist.

Erst diesem Wesen, das sich wegen seiner Triebkontrolle und seiner Fähigkeit zu geistiger Unabhängigkeit zum Menschen entwickeln konnte, gab die Sprache den Namen man. Er bedeutet also menschliches Wesen. Damit sind Frau und Mann gemeint. Daraus entwickelte sich der Begriff Mann, der also ursprünglich gar keine erhöhende Abgrenzung zum weiblichen Begriff Frau enthält.

Im Englischen bedeutet man sowohl Mann, Mensch als auch man. Das spiegelt der Begriff mankind wider. Es heißt Menschheit, und es ist selbstverständlich, dass damit die menschliche Art gemeint ist.

Im Lateinischen heißt Mensch homo. In homo enthalten ist homilis, gleich, im Vergleich zu Göttern auch humilis, niedrig – und humus, Erde, das inhaltlich zusammengenommen „der Erdgemachte, der Erdenbürger, der Sterbliche“ versinnbildlicht. Es deutet darauf hin, dass man sich schon in der Antike über den Stoffekreislauf, der sich in der belebten Natur vollzieht, im Klaren war und dass himmlische und irdische Kräfte und Mächte als ein Überbau verstanden wurde, dessen Herrschaft durch die unsterblichen Götter, die Moral und Sittlichkeit vertraten, gewährleistet wurde.

Das lateinische Wort für Mann lautet vir. Es ist abgeleitet von virtus, männliche Tugend, einem Wort, das seinen Ursprung im Namen der Göttin Virtus hat, die für militärische Tapferkeit steht. Dem zugrunde liegt ein Ehrbegriff, der auf den vier Kardinaltugenden Platos gründet: Klugheit, Gerechtigkeit, Besonnenheit, Tapferkeit. Ebenfalls davon abgeleitet ist virgo, Jungfrau, deren Zustand der „Unberührtheit“ man besondere Ehr- und Tugendhaftigkeit als Ausdruck von Widerstandskraft gegen sexuelle Gelüste und Verführungen zuschrieb.

Dagegen liegt die Herkunft des griechischen Wortes ἄνθρωπο, anthrōpos, Mensch, im Dunkel. Es wird angenommen, dass es, aus vorgriechischer Zeit stammend und ohne sprachlichen Bezug zu erkennbaren indogermanischen Wurzeln, eine Bedeutung repräsentiert, die sich möglicherweise aus der aufrechten Haltung und dem vorwärtsgerichteten Gesicht herleitet, Merkmalen, die den Menschen vom Tier unterscheiden. So könnte man in anthropos anti, gegen, und tropos, Wendung, „der Vorwärtsgewendete“ erkennen.

Welches Menschenbild man dem Gendern auch zugrundelegt, in der Sprachgeschichte war schon immer der Mensch das entscheidende Differenzierungsmerkmal, sei es, dass es um die Unterscheidung des Menschen vom Tier ging, sei es, um dem gottesbildähnlichen Menschen seine Vergänglichkeit gegenüber den unsterblichen Göttern, gegenüber Gott, zu vergegenwärtigen. Der generische Widerspruch Mann versus Frau ist darin nicht enthalten.

Ist das generische Maskulinum vielleicht gar keine Frauen-diskriminierende Verkürzung, indem sie vielfältige, unterschiedliche Genus-spezifische Endungen bereitstellt, die dem überall präsenten Englisch fehlen? Gibt die Doppelt-Nennung, die Ikonisierung duch ‚Sternchen‘ und das Binnen-I, gibt deren mündliche Markierung durch unerwartete Pausen der Sprache Verständlichkeit? Ist denn nicht gerade Verständlichkeit das oberste Postulat an Sprache?

Aus dieser Sicht ergibt sich die Schlussfolgerung, dass ein grammatischer Plural weiblichen und männlichen Gliedern gilt. Alle zusätzlichen Kennzeichnungen weiblicher Geschlechtszugehörigkeit hemmen den Sprechfluss hier, führen das Hörverständnis in die Irre dort und beeinträchtigen insgesamt das Textverständnis.

(1) https://www.belleslettres.eu/content/sprache/ikonizitat-geistig-geistlich
(2) „die Person“, „Mensch als Individuum, in seiner spezifischen Eigenart als Träger eines einheitlichen, bewussten Ichs“ (Duden) ist weiblichen Geschlechts, aus lateinsch per sona, durch den Klang (sona, ae f.) hindurch. In der Grammatik bedeutet Person ein grammatisches Merkmal.

Ein Buntspecht mit neuen Lebensaufgaben

Buntspecht

Buntspecht
Sławomir Staszczuk (info [AT] photoss.net)
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Die Zeit der Werbung ist vorbei. Die Jungen sind flügge. Die meisten Singvögel haben sich auf den weiten Weg ins Winterquartier gemacht. Die anderen richten sich auf ungemütlichere Zeiten ein – immerhin solche, die nur im Zeichen eigener Versorgung stehen. Und dieses Daheimbleiben scheint immer attraktiver zu werden für Amsel, Buchfink und Rotkehlchen, weil die Winter milder werden und die Futterversorgung verlässlicher ist.

Zu den Stimmen der Waldtauben, Krähen und Elstern hat sich ein neues Vogelgeräusch hinzugesellt, das rhythmische Hämmern und Klopfen eines Buntspechtes. Er hat die Fassade des Nachbarhauses zu seiner „Werkstatt“ erkoren. Eine vorspringende Ecke gibt seinen kräftigen, den Körper abstützenden Schwanzfedern und den mit vier starken Krallen bewehrten Füßen Halt. Die Rückfront des Hauses ist von außen mit einer wärmedämmenden Styroporschicht umgeben. Dieses Isoliermaterial ist griffig für Vogelkrallen und klingt beim Picken wegen seiner Lufteinschlüsse nicht wie eine verputzte Steinfassade, sondern ähnlich wie morsches Holz. Die wärmespeichernde Wand ist zugleich Ruhefläche für fliegende Insekten. Den Specht lockt reiche Beute.

Der Buntspecht ist ein Allesfresser. Seine Lieblingsnahrung sind Insekten, deren Eier und Larven. Aber winters ist er wegen seines bunten Federkleides auch gerngesehener Gast an Futterhäuschen und Meisenknödeln. Weniger beliebt macht er sich als raffinierter Nesträuber von Meisennestern. Dort nämlich tritt er mitunter als ‚Wolf im Schafspelz‘ auf, indem er, wenn die Nestlnge allein zu Haus sind, versteckt lauert und mit Futter im Schnabel lockt. Ein unvorsichtiges Meisenküken, das sich am Höhleneingang zeigt, ist verloren.

Der lateinische Name für Spechte lautet picinae, der Specht heißt picus, Picker. Diesen Namen verdankt er einer Sage, wonach die Zauberin Kirke, einen Mann namens Picus, der ihre Liebe verschmäht hatte, in einen Specht verwandelt hatte. Der lateinische zoologische Name des Spechts ist picus, Schnabel, weil er in Form und Funktion dieser Aufgabe des fortgesetzten Hämmerns und Pickens angepasst ist. Auf Spanisch bedeutet el pico sowohl Schnabel als auch Bergspitze. Auch in der Spielkartenbezeichnung Pik steckt die Bedeutung von spitz. Ebenso in Pickelhaube und in Pickel, der Spitzhacke.

Schaut man einem Specht so aus nächster Nähe beim Meißeln zu, so kann man sich der Frage nicht erwehren, warum der Vogel, der mit solcher Wucht seinen Kopf für sein kraftraubendes Werk einsetzt, keine Kopfschmerzen bekommt. Das Geheimnis der Dämpfung des heftigen und schnellen Aufschlags des Schnabels liegt in seiner darauf abgestimmten Konstruktion. Einerseits umgibt das Gehirn sehr wenig Hirnwasser, sodass es beim Hämmern nicht an die Schädeldecke geschleudert wird. Andererseits liegt zwischen Schnabel und Kopf ein Zwischenraum, der den Druck des Schnabels auf den Kopf absorbiert. Die Augen sind geschützt durch einen nur Millisekunden währenden Schluss der Augenlider im Moment des Lösens von Holzspänen.

Spechtschmieden zeigen das Bauen einer Bruthöhle an oder das Aufspüren von Insekten und Larven unter losen Rinden und in morschem Holz. Zum Glück für seine wohnungsuchenden Nachbarn ist es die Lebensaufgabe des Spechts, unablässig von neuem zu hämmern und zu zimmern.

Mehrmals am Tage kehrt der Bauherr, der früher noch „Zimmermann des Waldes“ hieß, aber inzwischen zu einem veritablen Kulturfolger avanciert ist, zu seiner zivilisatorischen „Baustelle“ zurück und hackt unablässig auf sein favorisiertes Styroporloch ein. Nur manchmal hält er inne und schaut mit beweglichem Kopf wie sein spechtlicher Verwandter, der Wendehals, weit in die Runde, als suchte er Zustimmung und Beifall.

Zustimmung und Beifall – Meisen und Käuze suchen einen Schutz für ihre Nester und Gelege. Natürlicher Unterschlupf, wie Asthöhlen und -gabeln in verwittertem Holz sind schwer zu finden in den schnellwüchsigen Bäumen der Hintergärten, wo alte Obstbäume dem Wetter zum Opfer fielen und selbstausgesäte Alleebäume an ihre Stelle traten. Da sind die Höhlenbauarbeiten des Buntspechts hochwillkommen.

Nur Hausbesitzer, die in bester Absicht ihren Altbau nachträglich isolieren wollten, sind machtlos gegen diese schon in die Fachsprache eingegangenen „Spechtschäden“. Mithilfe eines aufwändigen Gerüsts gelangte einst ein Maler bis an die am höchsten gelegenen Scharten im Gemäuer. Bald waren alle Spuren beseitigt, die Wand übertüncht. Aber schon im folgenden Frühjahr nahm der Zimmermann der Hintergärten unverdrossen seine Arbeit wieder auf.

Die Hausecke ist wieder zerklüftet. Die Vögel aber, deren Bedürfnisse nach Brutplätzen der Buntspecht erfüllt, werden im Verborgenen der beengten ökologischen Nische mit Rückzugsorten versorgt. So hat – wenigstens im Hinterhof – alles seine gute Ordnung.

Schnecken – Meeresbewohner auf dem Trocknen

Ehemalige Märchenhain-Figur des Bildhauers Ernst Heilmann

Ehemalige Märchenhain-Figur des Bildhauers Ernst Heilmann
Bild: Marion Halft
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Lieblingsbuch aller Kinder, die noch ohne Sesamstraße den Tag beschlossen, war das Märchenbuch der Brüder Grimm. Ein bisschen Grusel vor der kinderfressenden Hexe, ein bisschen Angst vor der bösen Stiefmutter, ein bisschen Respekt vor den dunklen Mächten des Schicksals. Zaubersprüche, schwirrende Schwanenschwingen, Höllenfeuer aus Drachenrachen, das waren die Bilder, mit denen man dennoch beruhigt einschlief, weil man wusste, dass das Böse niemals den Sieg über das Gute davontragen würde.

Solch ein Protagonist des Guten ist Daumesdick, Wunschkind kinderloser Eltern, die gelobt hatten, jedes, wie auch immer geratene, Kind in Liebe und Dankbarkeit anzunehmen. Beschieden war ihnen schließlich ein Söhnlein, das über die Größe eines Daumens nicht hinauswuchs. Dennoch war es in seiner Anstelligkeit und Arglosigkeit den Eltern eine Quelle von häuslichem Glück und Wohlstand. Eine Illustration zeigt ihn aus einem Schneckenhaus lugend, vergnügt den Tag im sommerlichen Wiesengrün verträumend.

Helix pomatia

Helix pomatia
Bild: H. Zell
Lizenz: Creative Commons

Die Weinbergschnecke, helix pomatia, „lungenatmendes Schraubgewinde“, ist eine gehäusetragende Landschnecke. Das Gehäuse, das sich schraubenartig windet, wird helix, ἕλιξ, Schraubgewinde, genannt. Landschnecken sind Lungenatmer. Ein Atemloch befindet sich sichtbar vorn rechts am Kopf. Das Gehäuse beherbergt in einem eigens dafür bestimmten Eingeweidesack die inneren Organe. Durch die Windung des Gehäuses, die Torsion, nehmen die darin befindlichen Organe eine Position ein, die der Lage in normal gegliederten Körpern entspricht, das heißt, Lunge und Herz nehmen eine vorwärtsgerichtete Position ein, während Magen und Darmtrakt weiter hinten gelagert sind. Die muskulöse Sohle trägt an ihrer Spitze den „Kopf“, also ausgelagerte Teile des im Körperinneren befindlichen Steuerungszentrums, des Gehirns. Vier Fühler, die die Sinnesorgane der Schnecke beherbergen, geben die Ortungsergebnisse zu einem Organsack, in dem sich das Gehirn befindet, weiter. Die oberen, längeren und sensibel als Stielaugen ausfahrbaren, beherbergen die optischen und olfaktorischen Sinne, während die kürzeren unteren Tastorgane sind, um die Beschaffenheit des Weges zu sondieren. Daraus leitet das vegetative System die Menge und Qualität des für die Leichtgängigkeit der Sohle notwendigen Schleims ab. Im vorderen Teil des Körpers wird der Schleim abgesondert, auf dem die Sohle im Anschluss gleitet. Die Schnecke hinterlässt so eine charakteristisch schimmernde, getrocknete Schleimspur.

Fachsprachlich heißt der Oberbegriff für Schnecken Gastropoden. Darin stecken griechisch γαστῆρ gaster, Magen, Bauch, und πούς, ποδός, pos, podos, Fuß, übersetzt Bauchfüßler. Außer bei den Schnecken kommt dieser – für Landbewohner ungewöhnliche – Körperbau der Weichtiere nur bei Meeresbewohnern, Mollusken, vor. Darin steckt altgriechisch μαλακός, malakós, und ähnlich lateinisch mollis, molluscum, weich, also Weichtiere wie Schnecken, Quallen und Muscheln.

Anatomy of a common snail

Anatomy of a common snail – Lizenz: Creative Commons Attribution 3.0 Unported

Gehäuse,  Leber, 3  Lunge, 4  Darm­ausgang, 5  Atem­öffnung, 6  Auge, 7  Fühler, 8  Schlund­ganglion, 9  Speichel­drüse, 10  Mund, 11  Kropf, 12  Speichel­drüse, 13  Geschlechts­öffnung, 14  Penis, 15  Vagina, 16  Schleim­drüse, 17  Eileiter, 18  Pfeil­beutel, 19  Fuß, 20  Magen, 21  Niere, 22  Mantel, 23  Herz, 24  Samen­leiter

Ursprünglich sind Schnecken Wasserbewohner. Anhand von Fossilien lassen sich landlebende Lungenschnecken bis zum Jura zurückverfolgen. Im Salzwasser gibt es heute noch riesige Schnecken, deren Sohlenlänge einen Meter erreichen kann. Dort gibt es auch giftige Kegelschnecken, die als Fleischfresser Beutetiere überwältigen, ohne schnelle und geschickte Jäger zu sein. Sie verfügen über eine Art Harpunensytem, das Giftpfeile aussendet, um ein Beutetobjekt zur Strecke zu bringen, während der Jäger hernach in aller Ruhe zu seinem Verzehr heranschreitet.

Landlebende Schnecken sind Pflanzenfresser. Sie haben eine zahnbesetzte Raspelzunge, die Radula, mit der sie junge, grüne Sprosse und Blätter rasenmäherhaft wegraspeln. Diese zahnbesetzte Raspelzunge ist außerhalb der Mollusken in der übrigen Tierwelt nicht bekannt. Der Weinbergschnecke ähnlich sind die kleineren gehäusetragenden Zirpelschnecken. Sie als fäulnisverzehrende Nützlinge zu erhalten ist ratsam.

Um sprießende Pflanzen vor Schneckeninvasionen zu schützen, empfiehlt es sich, wie einer Hobbygärtnersendung zu entnehmen war, einen großen Plastikblumentopf mit einer kräftigen Schere rundum von seinem Boden zu befreien und umgekehrt über die schutzbedürftige Pflanze zu stülpen und den Rand fest in den Boden zu drücken. An der umgekehrten Schräge des Topfes dürften selbst die auf zähester Schleimspur kriechenden Zartgrünvernichter scheitern wie die Prinzen, die gläserne Berge zu bezwingen versuchten.

Nacktschnecken, wie die rote und die schwarze Wegschnecke und die teils eine beachtliche Größe erreichenden Schnegel haben im Zuge einer langen Entwicklung ihr Gehäuse zurückgebildet. Ihr Name geht zurück auf althochdeutsch snahhan, Schnecke, worin sich auch Schnegel widerspiegelt. Reste in Form einer Kalkplatte, die auf ein rudimentäres Gehäuse hindeuten, finden sich noch als eine Art Kalkschild im Inneren der Nacktschnecken, während Schnegel sogar ein deutlich erkennbares gratförmiges Rückenschild aufweisen.

Die Deutung von trivial: Drei Wege mussten zusammenfinden

Der einfachste nicht-triviale Knoten

Der einfachste nicht-triviale Knoten
Bild: Baserinia
Lizenz: GNU Free Documentation License

Gerade im alltäglichen Sprachgebrauch ist trivial üblich. Es bedeutet ursprünglich „allgemein zugänglich“, mittlerweile „platt, abgedroschen“, im wissenschaftlichen Diskurs „unbedeutend, negligeabel“. Das Wort ist prägnant, enthält keine schwer zu merkenden griechischen Lautfolgen, die überdies schwierig zu schreiben sind. Es ist deshalb unkompliziert auszusprechen. Es stammt aus dem Lateinischen.

Das steht uns näher als das Griechische, das in fremder Schrift geschrieben wird. Die Römer haben bereits viele griechische Wörter in ihre Sprache übernommen. Das sind besonders die, die aus Wissenschaft und Kultur stammen. Sie sind als griechische Lehnwörter zu Anteilen romanischer Sprachen geworden.

Romanische Sprachen prägten die europäische Kultur. Daher sind Fremdsprachen, die traditionell neben Englisch gelehrt werden, Französisch und Spanisch. Doch auch die englische Hochsprache ist historisch von romanischer und griechischer Sprachtradition geprägt. Italienisch und Portugiesisch sind uns als zutiefst romanische Sprachen selbstverständlich. Nur Rumänisch ist eine Ausnahme. Auch das ist eine romanische Sprache. Der Name Rumänien weist auf seine Geschichte als römische Provinz hin.

Trivialer Knoten

Trivialer Knoten
Bild: YAMASHITA Makoto
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Alle europäischen Länder, in denen romanische Sprachen gesprochen werden, waren einmal römische Provinzen, in einer Zeit, als das Imperium Romanum mit dem Zentrum Rom nach damaliger Wahrnehmung ein Weltreich rund um das Mittelmeer – das mare nostrum – war. Das Römische Reich war so groß, dass es zunehmend unüberschaubarer wurde. Eine abgelegene Povinz wie Lusitanien (1), das heutige Portugal, wurde Veteranenkolonie. Thrakien, das heutige Rumänien, war in seiner Abgeschiedenheit vom kulturellen und politischen Machtzentrum Rom für Verbannungszwecke geeignet (2).

Diese allseitige Verflechtung bewirkt, dass drei, zu dem lateinischen Präfix tri- wird. Er ist aus dem Griechischen, tria, entlehnt. In vielen Wörtern, die man kaum noch als Kompositum oder als präfigiert erkennt, kommt es als Vorsilbe vor (3).

Wie kommt es nun zu zweiten Wortbestandteil -vial?

Ein komplexer Knoten wird in einen trivialen Knoten verwandelt

Ein komplexer Knoten wird in einen trivialen Knoten verwandelt
Bild: Kuchtact
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Auch hier ist ein lateinischer Ursprung unübersehbar. „via“ heißt Weg, Straße – ein Wort, das uns als Adverb mit der lokalen Bedeutung „über“ gebräuchlich ist. Die Zusammensetzung „tri-via“ lautet also etwa „Dreiweg“, aus trivium, „da, wo drei Wege zusammentreffen“. Dieses Trivium war im mittelalterlichen Universitätswesen ein Propädeutikum, ein vorbereitendes Studium, von dessen Basis aus man in die höheren Sphären anerkannter Wissenschaft vorzudringen vermochte. Das Trivium umfasste die Studienfächer Grammatik, Dialektik und Rhetorik Ihnen erst folgte das Quadrivium, der „Vierweg“. Dieser bestand aus den klassischen Fächern Arithmetik, Geometrie, Musik, Astronomie. Als deren Grundvoraussetzung betrachtete man die Beherrschung der trivialen Kenntnisse von Dialektik, Rhetorik und Grammatik, also intellektuelle, rhetorische und sprachlogische Durchdringung der bevorstehenden Studien. Die Kenntnis der alten Sprachen – Latein und Griechisch – war für ein klassisches mittelalterliches Studium unabdingbar.

trivial“ war also ursprünglich das Adjektiv, das die hermeneutischen Grundlagen als Voraussetzung für ein wissenschaftliches Studium beschrieb.

(1) Die Etymologie des Namens Lusitania ist unklar. Sie geht wohl auf keltisch lus und tanus, „Stamm von Lusus“ zurück. Die Römer neigten zu einer Umdeutung und erkannten in lus lux, Licht, und bezogen dies auf die untergehende Sonne hinter der lusitanischen Atlantikküste.

(2) Der Dichter Ovid, der Verfasser unsterblicher römischer Liebeslyrik, die schon im damaligen Rom viel Beachtung erfuhr, wurde von dem sittenstrengen Kaiser Augustus nach Tomi, dem heutigen rumänischen Constanzja verbannt. Der erste römische Kaiser nämlich wollte Rom zu den konservativen Idealen von Gesellschaft und Familie zurückführen. Dazu passten die freizügigen Verse des Dichters nicht. Trotz vieler Eingaben – sogar an Tiberius, seinen Nachfolger, gelang ihm nie wieder eine Rückberufung nach Rom.

(3) tri-, aus lat. trēs, griech. tré͞is τρεῖς, τρία tría, bis aind. tráyaḥn, abgeleitet, ist enthalten in: Triumvirat, etwa „Drei-Männer-Verbindung“, was eine Drei-Konsuln-Regierung zur Sicherung vor einer Diktatur bezeichnet. Andere Beispiele sind Tribus, Tribun, Tribunal, Tribut, Tribüne, wobei ein Drittel des römischen Volkes zugrunde liegt. Auch in fachsprachlich findet man den Wortbestandteil tri- häufig, wenn eine Dreiwertigkeit – etwa bei chemischen Beriffen – vorliegt.