Lieblingsbuch aller Kinder, die noch ohne Sesamstraße den Tag beschlossen, war das Märchenbuch der Brüder Grimm. Ein bisschen Grusel vor der kinderfressenden Hexe, ein bisschen Angst vor der bösen Stiefmutter, ein bisschen Respekt vor den dunklen Mächten des Schicksals. Zaubersprüche, schwirrende Schwanenschwingen, Höllenfeuer aus Drachenrachen, das waren die Bilder, mit denen man dennoch beruhigt einschlief, weil man wusste, dass das Böse niemals den Sieg über das Gute davontragen würde.
Solch ein Protagonist des Guten ist Daumesdick, Wunschkind kinderloser Eltern, die gelobt hatten, jedes, wie auch immer geratene, Kind in Liebe und Dankbarkeit anzunehmen. Beschieden war ihnen schließlich ein Söhnlein, das über die Größe eines Daumens nicht hinauswuchs. Dennoch war es in seiner Anstelligkeit und Arglosigkeit den Eltern eine Quelle von häuslichem Glück und Wohlstand. Eine Illustration zeigt ihn aus einem Schneckenhaus lugend, vergnügt den Tag im sommerlichen Wiesengrün verträumend.
Helix pomatia
Bild: H. Zell
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Die Weinbergschnecke, helix pomatia, „lungenatmendes Schraubgewinde“, ist eine gehäusetragende Landschnecke. Das Gehäuse, das sich schraubenartig windet, wird helix, ἕλιξ, Schraubgewinde, genannt. Landschnecken sind Lungenatmer. Ein Atemloch befindet sich sichtbar vorn rechts am Kopf. Das Gehäuse beherbergt in einem eigens dafür bestimmten Eingeweidesack die inneren Organe. Durch die Windung des Gehäuses, die Torsion, nehmen die darin befindlichen Organe eine Position ein, die der Lage in normal gegliederten Körpern entspricht, das heißt, Lunge und Herz nehmen eine vorwärtsgerichtete Position ein, während Magen und Darmtrakt weiter hinten gelagert sind. Die muskulöse Sohle trägt an ihrer Spitze den „Kopf“, also ausgelagerte Teile des im Körperinneren befindlichen Steuerungszentrums, des Gehirns. Vier Fühler, die die Sinnesorgane der Schnecke beherbergen, geben die Ortungsergebnisse zu einem Organsack, in dem sich das Gehirn befindet, weiter. Die oberen, längeren und sensibel als Stielaugen ausfahrbaren, beherbergen die optischen und olfaktorischen Sinne, während die kürzeren unteren Tastorgane sind, um die Beschaffenheit des Weges zu sondieren. Daraus leitet das vegetative System die Menge und Qualität des für die Leichtgängigkeit der Sohle notwendigen Schleims ab. Im vorderen Teil des Körpers wird der Schleim abgesondert, auf dem die Sohle im Anschluss gleitet. Die Schnecke hinterlässt so eine charakteristisch schimmernde, getrocknete Schleimspur.
Fachsprachlich heißt der Oberbegriff für Schnecken Gastropoden. Darin stecken griechisch γαστῆρ gaster, Magen, Bauch, und πούς, ποδός, pos, podos, Fuß, übersetzt Bauchfüßler. Außer bei den Schnecken kommt dieser – für Landbewohner ungewöhnliche – Körperbau der Weichtiere nur bei Meeresbewohnern, Mollusken, vor. Darin steckt altgriechisch μαλακός, malakós, und ähnlich lateinisch mollis, molluscum, weich, also Weichtiere wie Schnecken, Quallen und Muscheln.
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1 Gehäuse, 2 Leber, 3 Lunge, 4 Darmausgang, 5 Atemöffnung, 6 Auge, 7 Fühler, 8 Schlundganglion, 9 Speicheldrüse, 10 Mund, 11 Kropf, 12 Speicheldrüse, 13 Geschlechtsöffnung, 14 Penis, 15 Vagina, 16 Schleimdrüse, 17 Eileiter, 18 Pfeilbeutel, 19 Fuß, 20 Magen, 21 Niere, 22 Mantel, 23 Herz, 24 Samenleiter
Ursprünglich sind Schnecken Wasserbewohner. Anhand von Fossilien lassen sich landlebende Lungenschnecken bis zum Jura zurückverfolgen. Im Salzwasser gibt es heute noch riesige Schnecken, deren Sohlenlänge einen Meter erreichen kann. Dort gibt es auch giftige Kegelschnecken, die als Fleischfresser Beutetiere überwältigen, ohne schnelle und geschickte Jäger zu sein. Sie verfügen über eine Art Harpunensytem, das Giftpfeile aussendet, um ein Beutetobjekt zur Strecke zu bringen, während der Jäger hernach in aller Ruhe zu seinem Verzehr heranschreitet.
Landlebende Schnecken sind Pflanzenfresser. Sie haben eine zahnbesetzte Raspelzunge, die Radula, mit der sie junge, grüne Sprosse und Blätter rasenmäherhaft wegraspeln. Diese zahnbesetzte Raspelzunge ist außerhalb der Mollusken in der übrigen Tierwelt nicht bekannt. Der Weinbergschnecke ähnlich sind die kleineren gehäusetragenden Zirpelschnecken. Sie als fäulnisverzehrende Nützlinge zu erhalten ist ratsam.
Um sprießende Pflanzen vor Schneckeninvasionen zu schützen, empfiehlt es sich, wie einer Hobbygärtnersendung zu entnehmen war, einen großen Plastikblumentopf mit einer kräftigen Schere rundum von seinem Boden zu befreien und umgekehrt über die schutzbedürftige Pflanze zu stülpen und den Rand fest in den Boden zu drücken. An der umgekehrten Schräge des Topfes dürften selbst die auf zähester Schleimspur kriechenden Zartgrünvernichter scheitern wie die Prinzen, die gläserne Berge zu bezwingen versuchten.
Nacktschnecken, wie die rote und die schwarze Wegschnecke und die teils eine beachtliche Größe erreichenden Schnegel haben im Zuge einer langen Entwicklung ihr Gehäuse zurückgebildet. Ihr Name geht zurück auf althochdeutsch snahhan, Schnecke, worin sich auch Schnegel widerspiegelt. Reste in Form einer Kalkplatte, die auf ein rudimentäres Gehäuse hindeuten, finden sich noch als eine Art Kalkschild im Inneren der Nacktschnecken, während Schnegel sogar ein deutlich erkennbares gratförmiges Rückenschild aufweisen.
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