Schuppentiere – Opfer einer irrationalen Panik

Weißbauch-Schuppentier (Manis tricuspis)

Weißbauch-Schuppentier (Manis tricuspis)
Urheber: Николай Усик / http://paradoxusik.livejournal.com/
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Bis vor gar nicht langer Zeit wusste kaum einer von ihrer Existenz. Schuppentiere, Pangolins , sind archaische Säugetiere mit ungewöhnlicher körperlicher Ausstattung, einer für Säuger ungewöhnlichen Anpassungsleistung, Überbleibsel aus einer vorgeschichtlichen Welt.

Pangolin ist aus dem Malaiischen entlehnt, Peng-guling, üblich im englischen und französischen Sprachraum. Der zoologische Name lautet Manidae, „Totengottähnliche“. Das ist aus dem Lateinischen abgeleitet: manis, Plural manes sind römische Totengötter, ein Bezug, der auf ihre verborgene Lebensweise deutet. Die Ordnung nennt sich Pholidotae, altgriechisch etwa „Krummbeinige“. Entwicklungsgeschichtlich zählen sie zu den Carnivoren, Jägern, Fleischfressern.

Statt eines Haarkleides sind sie auf den Außenseiten ihres Körpers von einem Panzer aus dachziegelartig übereinander angeordneten Schuppen bedeckt, die an einen Tannenzapfen erinnern, ein Aussehen, das ihnen den Namen Tannenzapfentiere eingebracht hat. Dieses Äußere macht sie trotz ihrer bedächtigen Fortbewegungsweise unattraktiv für jeden Fressfeind, der am Ende ratlos vor einer abweisenden Schuppenkugel steht, wenn seine vermeintliche Beute, sein Junges in seinem eingerollten Körper schützend, einfach vor ihm liegen bleibt. Das erinnert an heimische Igel oder amerikanische Skunks, die sich bei Gefahr zusammenziehen und ihr Stachelkleid abweisend aufrichten. Dieses Verhalten ist eine vegetative, instinktgebundene Reaktion und rührt aus einer Zeit, als das Feind-Opfer-Verhältnis noch ein anderes war, eine Antwort auf Bedrohung, die dem menschengemachten Fortschritt nicht standhält.

Schuppentiere leben tagsüber schlafend in verborgenen Winkeln, Erdbauten unter umgestürzten Bäumen mit Gängen und Schlafkammer, deren Eingang mit Schlamm verschlossen wird, oder in unzugänglichen Baumhöhlen, die sich menschlichem Zugriff entziehen. Spürhunden, die auf ihren Geruch abgerichtet sind, sind diese Verstecke nicht gewachsen. Das erleichtert die Jagd auf die tagscheuen Tiere. Schuppentiere sind dämmerungs- und nachtaktiv, leben solitär, kümmern sich nur um ein einzelnes Junges, das sie in ihrer Höhle versorgen, bis es an den Rücken der Mutter geklammert die Welt erkunden kann. Sie klettern mit drei langen Grabkrallen umständlich sich auf- und abwärts hangelnd und gehen gemächlichen Schrittes ihrer Nahrungssuche nach. Sie ernähren sich von Ameisen und Termiten, brechen ohne Eile deren Baue auf und suchen mit der ausfahrbaren, klebrigen Zunge ihres zahnlosen Kiefers nach ihrer spezifischen Nahrung, Eiern und Larven staatenbildender Erdinsekten. Ihre Gelassenheit beziehen sie aus ihrer drachenhaften Unverwundbarkeit, fehlender Nahrungskonkurrenz und dem Schutz der Dunkelheit. Ihr einziger Feind ist der Mensch, aber das erkennt ihr Wahrnehmungs- und Nervensystem nicht, wenn es befiehlt, sich im Verborgenen zu halten, im Zustand des Aufgerolltseins die Schuppen aufzustellen und einen skunk-ähnlichen Stoff aus den Analdrüsen zu verbreiten.

Temminck's Schuppentier

Temminck’s Schuppentier – Quelle: Illustrierter Leitfaden der Naturgeschichte des Thierreiches, 1876 – public domain

Was macht sie aber jetzt plötzlich so berüchtigt, zu Hassobjekten, zu Wesen, deren Berührung man scheuen müsste, die wie Fledertiere zu todbringenden Geißeln der Menschheit werden?

Wie Fledermäuse werden sie als exotische Delikatessen auf den Wildtiermärkten Chinas und Afrikas gehandelt. Ihre Schuppen, sogar auch aus Westafrika eingeführt, gelten besonders in der traditionellen chinesischen Medizin als Aphrodisiakum und Mittel zur Potenzsteigerung. Daher ereilt Schuppentiere die gleiche Verfolgung wie Nashörner, Tiger und Haie, die wegen ihrer besonderen natürlichen Ausstattung bejagt werden.

Ein solcher Wildtiermarkt, wie der im chinesischen Wuhan, ist Ort ungewöhnlichen Kontakts zwischen Menschen und zwischen Tieren, deren Habitate sich normalerweise nicht berühren. Die Tiere werden, auf engstem Raum zusammengepfercht, lebend angeboten. Der Käufer kann ihre Schlachtung verfolgen oder sie lebendig mitnehmen.

Werden also virenverseuchte Wildtiere, deren Ansteckungsrisiko ungewiss ist, weil die Wege, die ein Virus nimmt, unerforscht sind, mit anderen zusammen in benachbarten Käfigen gehalten, kann das Virus leicht Übertragungsschranken überwinden und zur Infektionsquelle für den Menschen werden. Dann steht das verhängnisvolle Tor einer Mensch-zu-Mensch-Übertragung offen und der Infektionsanstieg wird unabsehbar.

Letztendlich trägt in erster Linie der Mensch die Verantwortung für die Verbreitung des Virus, weil er die nötige Distanz zu den Wildtieren aus den unterschiedlichsten Gründen nicht gewahrt hat. Die Zerstörung von gewachsenen Ökosystemen, aber auch der ungebremste Handel mit Wildtieren, macht den zunehmenden Ausbruch von Epidemien immer wahrscheinlicher.

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