Parasitismus und Symbiose – Abhängigkeit, Ausbeutung, Anpassung und Lebensgemeinchaft

Schlupfwespe

Schlupfwespe
Foto: Hedwig Storch
Lizenz: Creative Commons

Unterschiedliche Formen von gemeinsamer Existenz und Zusammenleben der Lebewesen, der Abhängigkeit voneinander, des Angewiesenseins aufeinander, prägen die Natur in ihrer Vielgestaltigkeit. Leben wird durch das Leben und Sterben anderer Lebewesen erzeugt und fortentwickelt.

Lebewesen ernähren sich von anderen Lebewesen. Pflanzenfresser leben von Pflanzen oder deren Erzeugnissen, Fleischfresser ernähren sich von ihren Beutetieren.

Eine besondere Lebensform ist der Parasitismus. Parasiten leben von ihren Wirten, also den Lebewesen, die sie „bewirten“, ihnen Nahrung und Obdach geben. Sie machen sich die vitalen Fähigkeiten ihres Wirtes zunutze. Sie schwächen ihn möglicherweise, weil sie von seinen Lebenssäften profitieren, ohne ihn aber bis zu seiner völligen Erschöpfung zu schädigen und bis zum Verlust seines Lebens zugrunde zu richten.

Die existenzielle Vernichtung des Wirtstieres dagegen nennt man parasitoid. Die Nachsilbe -oid, die im üblichen Sprachgebrauch eher abschwächend zu verstehen ist, bedeutet ähnlich. Parasitoide sind also Parasiten ähnlich, sie unterscheiden sich jedoch von ihnen, indem sie ihren Wirt bis zu dessen Tod ausbeuten. Beispielhaft hierfür sind Schlupfwespen, Ichneumonidae, deren Name von altgriechisch ἰχνεύμων, ç(1), abgeleitet ist. Schlupfwespen sind taxonomisch gesehen eine eigene Familie, die wie gewöhnliche Wespen nur zur Ordnung der Hautflügler zählen. Sie haben jedoch nichs mit herkömmlichen staatenbildenden Wespen zu tun und leben, wie der Name Schlupfwespe sagt, ausschließlich parasitär. Die Weibchen sind mit einem langen Legestachel versehen und injizieren damit ihr verhängnisvolles Ei in den Körper ihres spezifischen Opfers, also im Falle unseres Beispiels zeitlich und räumlich treffsicher in den Leib der Kohlweißlingslarve. Die aus dem Ei geschlüpfte Larve des Parasitoiden ernährt sich von den Eiweiß- und Fettreserven der sie berherbergenden Schmetterlingslarve, ohne zunächst ihre lebenswichtigen Organe anzugreifen, um ihren Wirt nicht lethal zu schädigen und um dessen unverzichtbare Lebensfunktionen aufrechtzuerhalten. Die Schlupfwespe verlässt nach der Metamorphose im Kokon ihres Wirts als fertiges Insekt den Ort ihrer Entstehung und lässt die gekaperte Larve als tote Hülle zurück.
Eine andere Schlupfwespenart saugt an den Hnterbeinen einer Radnetzspinne und erzwingt durch die Injektion biochemischer Zusätze einen anderen Bauplan des Netzes. So bewirkt sie den Bau eines für die Verpuppung ihrer Raupe geschaffenen Kokons.

Solche parasitoide Lebensformen haben Philosophen und Biologen von Platon bis Darvin beschäftigt und an der göttlichen Weisheit des Zusammnspiels der Natur zweifeln lassen.

Ganz anders zu verstehen ist die gemeinsame Lebensform der Symbiose, altgriechisch συμβίωση. Das Wort ist zusammengesetzt aus συμ, zusammen, und βίωσ, biologische Existenz, also βίωση, leben, existieren. Symbiotisch leben heißt, dass beide beteiligte Lebewesen von ihrer Gemeinschaft profitieren. In der Pflanzen- und Pilzwelt zeigt sich das häufig schon an den Namen, die ihre Standortgemeinschaft beschreiben: Birkenröhrling, Erlenporling, Eichen- und Fichtensteinpilz.

Der Fruchtkörper des Pilzes ist nur der sichtbare Teil der „Pilzpflanze“. Man geht heute aber davon aus, dass Pilze weniger den Pflanzen nahe stehen als den Tieren. Der Pilzorganismus bildet mit den haarfeinen Hyphen seines Myzeliums, dem unterirdischen Wurzelbereich – der eigentlichen Lebensgrundlage – ein enges Geflecht um die Wurzeln seines Partners. Beide spenden einander Wasser, Nährstoffe und Mineralien, die ihnen aus eigenen Quellen und Fähigkiten nicht zugänglich sind.

Krokodil im Okavangodelta

Krokodil im Okavangodelta
Foto: Hp.Baumeler
Lizenz: Creative Commons

Symbiotische Lebensformen zeigen sich auch in der Tierwelt. Eindrucksvoll sind die Aktivitäten von Putzerfischen, die die Zähne gefräßiger Haifische reinigen, während deren Nahrungsreste ihnen zur Ernährung dienen. Die sonst so gefährlichen Zahnreihen werden ihnen geduldig geöffnet, ohne dass den kleinen Fischen ein Leid geschähe. Eine ähnliche Konstellation kann man bei Krokodilen beobachten, deren Ruf an Gefährlichkeit denen der Haifische in nichts nachsteht. Hier sind es kleine Vögel, denen ein weitgeöffneter Rachen zur Reinigung und Pflege des todbringenden Gebisses dargeboten wird, ohne dass die in ihrem Maul arglos herumhüpfenden Vögel Anstalten machten, sich vor der Bestie zu fürchten.

Bei der Betrachtung dieser symbiotischen Beziehungen drängt sich die Frage auf, wie das Wissen um die Nützlichkeit des jeweiligen Symbiosepartners zustandekommt, handelt es sich doch dabei um Partner, die eher in ein Beute-Feind-Schema einzuordnen wären. Vielleicht kommt hier nachahmendes Lernen als junge Anpassungstrategie in Frage. Dagegen spricht aber, dass beim Lernen das Risiko durch Try-and-Error-Verfahren eine tödliche Konsequenz hätte. Daher scheint die Annahme naheliegender, dass eine Art genetische Verankerung dem Verhalten innewohnt, die sich schon seit Jahrmillionen gebildet haben dürfte.

Pflanzen verfügen im Gegensatz zu Tieren nicht über einen erkennbaren Fortbewegungsapparat. Daraus resultiert die schlichte Einteilung von standortverwurzelter, „eingepflanzter“ Pflanze – lateinisch planta -, und beweglichem, kampf- und verteidigungsbereitem Tier, dessen Überlebensstrategien dadurch weit komplexer sind. Der Name Tier, geht auf althochdeutsch tior, das Beseelte, zurück, und ist verwandt mit gotisch dius. Beidem liegt die Auffassung zugrunde, wie es sich in lateinisch animale, das beseelte Wesen, aus anima, Seele, ausdrückt, daß Tiere, wozu biologisch auch Menschen zählen, beseelt seien.

Betrachtet man See-Anemonen, die sehr pflanzenähnlich wirken, indem sie festhaftend auf dem Grund stehen, und ihren mit blütenblättergleichen Tentakeln bewehrten Kopf in den Wellen wiegen, so weiß man dennoch, dass sie Weichtiere sind, die wie andere Tiere auch von lebenden Organismen leben.

Die Unterscheidung von Lebewesen in Zoologie und Botanik ist zunächst eine Kategorisierung in Tier und Pflanze, von animale und planta. Der offensichtlichste Unterschied beider ist durch Verwurzelung oder Fortbewegung gekennzeichnet. Das wichtigste biologische Unterscheidungsmerkmal aber ist, tierischen Organismen Energie zur Verfügung zu stellen. Nur grüne Pflanzen sind zur Energiegewinnung in der Lage, durch Photosynthese Lichtenergie in Nahrungsenergie umzuwandeln. Dabei spielt der grüne Farbstoff eine entscheidende Rolle. Das Blattgrün – das Chlorophyll, aus altgriechisch χλωρός, chlōrós, hellgrün, und φύλλον phýllon, Blatt, – versetzt grüne Pflanzen in die Lage, organisch verwertbare Nahrung zu erzeugen, also tierischem Leben erst Energie zugänglich zu machen. Diese nur ihnen bereitstehende Quelle, Licht zu nutzen, zeigt ihre Unabdingbarkeit für das Leben auf der Erde. Photosynthese bedeutet „Zusammensetzung durch Licht“, aus altgriechisch φῶς, phōs‚ Licht und σύνθεσις, sýnthesis, Zusammensetzung. Energiearmen chemischen Stoffen wie Kohlendioxid und Wasser wird durch die Verbindung mit hochenergetischem Sonnenlicht Energie zugeführt. Diese anorganischen Grundstoffe, bestehend aus Kohlendioxid aus der Luft und Wasser aus dem Boden, werden energetisch umgewandelt zu organischen Stoffen, den Kohlehydraten Zucker und Stärke. Aus diesem Grund sind auch Pflanzen, die wegen ihres Chlorphyllmangels unfähig sind, durch Photosynthese Energie zu gewinnen, nur als Schmarotzer grüner Pflanzen existent.

Dass sich auch Pflanzen bewegen, ist allenthalben erkennbar, besonders bei einem Sonnenblumenfeld, wo sich alle Blüten synchron den ganzen Tag über nach dem Licht drehen. Auf französisch heißen sie deshalb Tourne-soleil. Sie wenden sich der Sonne zu, um ihre zu wahrhaften Energiespeichern heranreifenden Samen optimaler Sonnenbestrahlung auszusetzen. Das Gleiche kann man auf der Fensterbank beobachten, wenn man eine Pflanze dreht. Sie richtet sich immer wieder nach dem Licht aus, um deren Energie in ihren Blättern anzureichern.

Es gibt auch Pflanzen, die sich sogar an Land fortbewegen. Vom Wind getrieben kugelt sich die „Rose von Jericho“ als ein trockener Gestrüppball durch den Wüstensand. Sie schlägt dort Wurzeln, wo sie Wasser und Nahrung findet und dann wieder zu blühendem Leben erwacht. Später, wenn ihre Versorgungsquellen erschöpft sind, setzt sie ihre Reise als scheinbar vertrocknete Kugel fort, um sich neue Nahrungsgründe zu erschließen.

(1) Der Name Ichneumon, Spürer, steht nicht in direktem Zusammenhang mit „Schlupfwespe“ an sich, sondern bezieht sich auf eine besondere andere Schlupfwespenart, Ichneumon eumerus. Sie ist ein Hyperparasit, d.h. ein Parasit, der einen anderen parasitär ausnutzt. Sie spürt die Larven ihres Wirtstieres, eines Schmetterlings, der parasitisch in einem Ameisembau lebt, von außen auf. Das Eindringen in den Bau und das Verlassen desselben erfolgt durch den Einsatz verschiedener die Ameisen von Grund auf verwirrrender Pheromone.
https://de.wikipedia.org/wiki/Ichneumon_eumerus

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